WILLKOMMEN BEI DEN EXPERTEN FÜR CUSTOMER JOURNEYS

WILLKOMMEN BEI DEN EXPERTEN FÜR CUSTOMER JOURNEYS

VON CARMELA MELONE
(Veröffentlicht in THE GAZETTE Ausgabe 02 im April 2023)

Wir haben uns gefragt: Wie kann es eigentlich sein, dass große Department Stores nicht nur das gesamte letzte Jahrhundert überlebt haben, sondern es anscheinend meisterhaft verstehen, sich immer wieder neu zu erfinden.

Harrods, Galeries Lafayette, Selfridges, Macy’s, Printemps oder das KaDeWe in Berlin: Die großen Kaufhäuser, wie wir sie heute noch kennen, haben ihren Ursprung bereits um den Beginn des letzten Jahrhunderts. Damals war es eine absolute Neuheit, nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Freude an schönen Dingen einkaufen zu gehen. Das war gleichzeitig auch der Startschuss für den Kundenservice, das persönliche Kümmern um die potenzielle Käuferschaft. Diese ersten Anfänge des Kommerzes wurden außerdem begleitet von architektonischer Opulenz, insbesondere in den goldenen 1920er-Jahren. Einige der historisch beeindruckenden Gebäude wurden während des Krieges zerstört, in den 1950er- und 1960er-Jahren wieder aufgebaut, andere in den 1970er- und 1980er-Jahren an die minimalistischen Architekturtrends angepasst und später wieder zurückgebaut, um die Schönheit der Vergangenheit ins Heute zu holen.

Damit nicht genug: Die vergangenen zwanzig Jahre bekam der stationäre Handel und bekamen damit natürlich auch die großen Kaufhäuser mit dem Aufkommen des E-Commerce eine ernst zu nehmende Konkurrenz, die sie letztendlich – vor allem bedingt durch die Pandemie – vor die Herausforderung stellte, die digitale Welt in ihre Strategien einzubinden. Dieser permanente Wandel, das immer wieder neue Einstellen auf Trends und wechselnde Rahmenbedingungen, ohne dabei den Kunden und seine Freude am Träumen, Staunen und Genießen aus den Augen zu verlieren – das scheint das wahre Erfolgsrezept der Department Stores zu sein.

Wir haben mit Stéphane Roth, CMO bei Printemps, und Timo Weber, General Manager des KaDeWe und Retail Director der KaDeWe Group, gesprochen und ganz unterschiedliche Ansätze und Prioritäten herausstellen können. Die Frage war wohl nie, ob das Digitale Teil des Serviceversprechens wird; sehr wohl aber wie.

Eins ist jedenfalls klar: Am Ende sind die Department Stores noch lange nicht. Im Gegenteil: Im Jahr 2024 wird die KaDeWe Group, die heute neben dem KaDeWe in Berlin auch die beiden Traditionshäuser Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München umfasst, zwei neue Stores eröffnen – eines in Düsseldorf und eines in Wien – und damit wahrscheinlich wieder einmal eine neue Ära von Einkaufserlebnissen und Kundenservice einläuten.

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Printemps

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Printemps ist nicht nur eines der größten Kaufhäuser der Welt, sondern auch eines mit einer besonders langen und reichen Geschichte. Das 1865 gegründete Unternehmen rühmt sich, „seismische gesellschaftliche Veränderungen zu antizipieren, seine Dienstleistungen diskriminierungsfrei anzubieten und die Schönheit zu einem zentralen Wert zu erheben, indem es auf nachhaltigen Konsum und ständige Neuheiten achtet“. Im Gespräch mit Stéphane Roth, CMO der Printemps Group, gehen wir diesen Werten auf den Grund.

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Interview mit Stéphane Roth, CMO der Printemps Group

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Ist diese Offenheit gegenüber kulturellen und sozialen Anforderungen Ihr geheimes Erfolgsrezept?

Der Sinn für Weltoffenheit lag schon den Gründern von Printemps im Jahr 1865 am Herzen, als sie etwas erfanden, das es damals noch nicht gab. Mit der Wahl des Namens Printemps, der im Französischen „Frühling“ bedeutet und ein Symbol für „ewige Erneuerung“ ist, wollten sie erreichen, dass die Menschen jedes Mal, wenn sie das Kaufhaus betreten, etwas Neues entdecken und mit der Welt verbunden sind. Dieser Gedanke der Verbundenheit ist also sehr wichtig, vor allem in der heutigen Welt, in der sich das Konsumverhalten in den letzten zehn Jahren so stark verändert hat – insbesondere natürlich durch die Digitalisierung, internationale Reisende, Omnichannel und die Explosion der Dienstleistungen. Daher glaube ich, dass unser geheimer Erfolgsfaktor die Fähigkeit ist, zu träumen und die Welt aus einem etwas anderen Blickwinkel zu sehen. Wir versuchen, zu projizieren, was für unsere Besucher eine Überraschung sein könnte. Der zweite Schritt besteht darin, uns an die Realität anzupassen. Die letzten drei Jahre haben gezeigt, dass Unternehmen nur überleben können, wenn sie widerstandsfähig sind und sich diese Fähigkeit, zu träumen, erhalten und damit Herausforderungen in Chancen verwandeln können. Genau das haben wir getan: Wir haben unser Geschäftsmodell geändert, verschiedene neue Geschäftsfelder wie Secondhand, Social Selling, Personal Shopping und weitere untersucht und unsere Test- und Lernmethoden ausgebaut. Außerdem ist es wichtig, mit den sozialen Entwicklungen Schritt zu halten: Wir beobachten ständig, was die Menschen auf der ganzen Welt tun, was in Asien oder in den USA passiert und wie wir diese Entwicklungen für uns interpretieren können. Printemps hat ein starkes Standbein in Frankreich, aber Frankreich ist gleichzeitig eines der meistbesuchten Länder der Welt, sodass wir auch viele internationale Besucher anziehen.

Im Gegensatz zu anderen traditionellen Häusern, die dazu neigen, ihre Geschichte in den Vordergrund zu stellen, wirkt Ihr digitales Schaufenster sehr modern und jung. Warum scheint es Ihnen so leicht zu fallen, sich ständig neu zu erfinden?

Dies ist nur eine Konsequenz aus unserem Wunsch, unseren Besuchern etwas Überraschendes und Attraktives zu bieten. Wir fragen uns: Was erwarten unsere Kunden online? Natürlich spiegeln die Art und Weise, wie unsere Website organisiert ist, die Struktur, die Farbcodes und die Bilder unsere hohen Ansprüche wider. Außerdem wollen wir jeden Besucher auf eine Reise mitnehmen, ein bisschen wie Alice im Wunderland. Wir möchten, dass jeder etwas Besonderes erlebt, wenn er zu uns kommt, sei es in unseren digitalen oder physischen Stores. Das ist der Grund, warum wir uns so viel Mühe mit unseren Geschäften geben und neue Geschäftsmodelle wie die virtuelle Mode ausprobieren. Warum sollte die digitale Welt nur funktional sein? Sie kann auch sehr emotional, dienstleistungs- und menschenorientiert sein. Wir sehen die digitale Welt nur als ein Medium, um eine neue Welt zu schaffen.

Im vergangenen März hatten wir zum Beispiel digitale Schaufenster in unserem Pariser Geschäft. Wenn man sich diesen Schaufenstern nähert, wird ein virtueller Avatar im Fenster vor einem erstellt, und man kann mit sich selbst interagieren. Wir versuchen ständig, eine Brücke zwischen diesen Welten zu schlagen, mit diesen beiden Realitäten zu spielen und sie zu verschmelzen. Das ist unsere Interpretation von Retailtainment: Überraschung kombiniert mit Qualität.

Darüber hinaus haben wir in den letzten Jahren mehrere neue Konzepte auf den Weg gebracht, von Kooperationsräumen mit High-End-Designern bis hin zu Secondhand-Läden und Restaurants. Bei diesen Konzepten handelt es sich um neue Geschäftsmodelle, bei denen wir unser Fachwissen im Ladendesign mit dem Kuratieren von Produkten und einem Sinn für Überraschungen durch ein spielerisches Visual Merchandising kombinieren. 

Könnten Sie Ihr Zielpublikum beschreiben und uns sagen, ob es sich in den letzten Jahren verändert hat?

Wir haben zwei Arten von Zielgruppen: lokale Kunden und internationale Kunden (insbesondere Amerikaner, Asiaten und Kunden aus dem Nahen Osten). Printemps richtet sich hauptsächlich an Männer und Frauen zwischen 25 und 75 Jahren, die eine gewisse Auswahl an Marken und Exklusivität in Bezug auf die Auswahl erwarten. Kuration ist bei Printemps sehr stark ausgeprägt, wir legen sehr sorgfältig fest, welche Produkte wir zu welchen Preisen und mit welchen Experiences anbieten. Außerdem ziehen wir eher Kunden an, die eine persönliche Beziehung zu unserem Verkaufsteam haben wollen. Wir haben tatsächlich die höchste Anzahl an Personal Shoppern in Frankreich – bei Printemps ist Personal Shopping kostenlos, es ist ein wichtiger Service, den wir anbieten. Sie können Ihnen bei der Suche nach einem Geschenk helfen oder ein Outfit für jede Art von Veranstaltung finden. Unsere Kunden lieben diese Art von Service.

Wir sehen auf jeden Fall immer mehr jüngere internationale Kunden unter 40 Jahren, was zum Teil daran liegt, dass Wohlstand heute in einem früheren Alter entsteht, vor allem in Asien. Außerdem haben jüngere Kunden in der Regel einen gewissen Appetit, neue Dinge zu entdecken, und werden daher von unseren verschiedenen Geschäftsmodellen wie dem Secondhand- oder Vintage-Geschäft oder unseren Bemühungen um die Förderung und Schaffung neuer Marken angezogen. Wir wollen eine wichtige Anlaufstelle sein, wenn Sie die Stadt besuchen – sei es, um Ihren virtuellen Avatar zu sehen, ein Instagram-Foto zu machen, unsere Restaurants zu entdecken oder einzukaufen. Und das gilt nicht nur für unsere Filiale in Paris Haussmann, sondern auch für unsere Filialen in anderen beliebten Städten wie Marseille, Lille oder Rouen. Die Hälfte unserer Häuser ist denkmalgeschützt, sodass der Besuch eines Ladens fast wie ein Museumsbesuch ist, was einen zusätzlichen Vorteil in Bezug auf zeitgenössische Erfahrungen darstellt.

Mit La Digital Fashion betreten Sie sogar die Welt des Metaverse – können Sie uns mehr dazu sagen?

Metaverse ist Teil unserer globalen Omnichannel-Strategie in dem Sinne, dass wir neue Erfahrungen online und physisch schaffen und sie miteinander verbinden wollen. Wir wollen unsere Besucher auf dieser Reise begleiten, egal, wo sie sich befinden. Letztes Jahr haben wir zusammen mit der Einführung unserer neuen Markenidentität einen virtuellen Store eingerichtet, in dem wir exklusive Produkte und exquisite Kunstwerke präsentierten, die wir unseren Kunden als NFTs anboten. Wir stellten fest, dass die Neugierde groß war, aber die meisten Besucher bislang noch nie ein NFT gekauft hatten. Also überlegten wir uns Wege, ihnen die Sache so einfach wie möglich zu machen, damit der NFT bei ihnen in der digitalen Wallet landet. Dies verkörpert den Kern unserer Positionierung, nämlich die Überzeugung, dass Einkaufen interessanter ist, wenn es einen selbst interessant macht. Wenn Sie etwas lernen, etwas entdecken, etwas verstehen, werden Sie bei uns einkaufen wollen. Durch Erlebnisse, Lebensmittel, Konferenzen, was auch immer – es geht stets darum, mit unseren Besuchern und Kunden ins Gespräch zu kommen.

Im September letzten Jahres haben wir Digital Fashion by Printemps auf den Markt gebracht, eine Reihe von Outfits, die Sie für Ihren Avatar kaufen oder mit denen Sie sich selbst auf Ihrem Instagram-Bild schmücken können. Seitdem haben wir bereits mehrere Drops gelauncht. Wir ergreifen diese Möglichkeit und versuchen immer zu sehen, wie es läuft. Wir wollen am Puls des Lebens der Menschen sein.

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Über Stéphane Roth:

Stéphane Roth ist seit 2020 Chief Marketing und Communication Officer der Printemps Group und arbeitet bereits seit 15 Jahren im Luxus- und Beautybereich, unter anderem für internationale Marken wie Shiseido, Baume & Mercier oder Cartier.

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www.printemps.com

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KADEWE

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Zur KaDeWe Group gehören nicht nur das Berliner Traditionshaus KaDeWe, sondern auch der Oberpollinger in München und das Alsterhaus in Hamburg. Alle drei Häuser wurden Anfang des 20. Jahrhundert gegründet, bald sollen zwei neue Department Stores in Wien und Düsseldorf hinzukommen.

Die Department Stores der KaDeWe Group verstehen es meisterhaft, ihren lokalen Charakter mit internationalem Flair zu verbinden. Ihr Erfolgsgeheimnis: Als moderne Marktplätze sind sie für die Bürger der jeweiligen Stadt erbaut und bieten kuratierte Produkte und Services, die sowohl internationale Marken wie Louis Vuitton, Gucci, Prada oder Bottega Veneta als auch lokale Angebote umfassen. Als Orte der Begegnung und der Inspirationen wird sehr viel Wert auf die Architektur, das Innendesign und damit auf das Gefühl gelegt, das den Besucher beim Gang durch die beeindruckenden Gebäude begleitet und immer wieder neue Facetten bekommt. Entsprechend viel Aufwand betreibt die KaDeWe Group für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Stores. So feierte das 60.000 Quadratmeter umfassende KaDeWe jüngst das Ende einer sechsjährigen Umbauzeit mit der neuen Rolltreppe der Architekturfirma OMA von Rem Koolhaas als architektonisches Highlight. Manches aber ist mehr die Renaissance des Vergangenen als eine echte Neuerung; so wurden im Laufe der Zeit die ursprünglichen glanzvollen Fenster aus den 1920er-Jahren wieder freigelegt, die in den 1970er- und 1980er-Jahren als unmodern galten und zurückgebaut wurden, anstatt gänzlich neu zu bauen. Wir haben Timo Weber, Retail Director der KaDeWe Group, in seinem Berliner Büro getroffen und über das Erfolgsgeheimnis großer Department Stores gesprochen.

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Interview mit Timo Weber, Retail Director der KaDeWe Group

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Das KaDeWe, der Oberpollinger und das Alsterhaus – drei Traditionskaufhäuser in drei völlig unterschiedlichen Städten. Wie würden Sie die DNA der Kaufhäuser beschreiben?

Jedes unserer Häuser ist stark in der jeweiligen Stadt verankert. Das Alsterhaus gehört zu Hamburg wie der Michel, das KaDeWe gehört zu Berlin wie das Brandenburger Tor und der Oberpollinger gehört zu München wie der Stachus. Wir sehen uns im Prinzip wie ein moderner Marktplatz, und mit dieser Idee wurden die Häuser vor über hundert Jahren auch gegründet. Sie wurden als Treffpunkt für die Menschen der Stadt errichtet, wo sie besondere Dinge sehen und erleben können.

Das Alsterhaus ist im Vergleich zu den anderen beiden Häusern etwas lokaler ausgerichtet. Wir haben dort den größten Anteil an lokalen Kunden, danach kommt Berlin mit 50 Prozent lokalen Kunden und 50 Prozent Besuchern aus der ganzen Welt, von Stuttgart bis New York. München ist unser internationalster Store, was natürlich auch sehr viel mit der Stadt München zu tun hat. Neben der Lage ist München ein beliebtes Reiseziel für Besucher aus dem Mittleren Osten, und das merken wir auch im Oberpollinger.

Die DNA der Häuser war auch für das Briefing mit den Architekten enorm wichtig. Wir mussten uns genau überlegen, für was das jeweilige Haus stehen möchte. Hier im KaDeWe hat beispielsweise der Architekt des Berghains einen Teil der sechsten Etage entworfen und dem Bereich einen Industrial Style mit offener Decke verliehen, was viel der von Clubkultur inspirierten Atmosphäre von Berlin mit aufnimmt. In Hamburg waren eher die Themen Offwhite, die Farbe des Taus, das Klima und die Alster im Vordergrund, mit bräunlichen Farbtönen und dem Spiel von Wasser, Spiegelungen und Licht. In München wiederum war die Farbe Orange ein wichtiger Aspekt. Schaut man von oben auf München, sieht man, dass die Dächer der Häuser vorwiegend orange sind. Deswegen sind auch unsere Shopping Bags und das Logo des Oberpollinger in Orange gehalten. Das wird auch unser Ansatz in Düsseldorf und Wien sein, wo mit dem Carsch Haus und dem LAMARR zwei neue Department Stores in Planung sind: Wir werden nicht das KaDeWe kopieren, das gibt es nur einmal, sondern jeder Store erhält seine eigene DNA, die zu der jeweiligen Stadt passt.

Welche Erwartungen möchten die Department Stores erfüllen?

Es geht uns insbesondere darum, einen Ort der Begegnung und der Inspiration zu schaffen. Dazu gehört auch eine perfekte Qualität – wir verkaufen nichts, was man unbedingt braucht, und jeder versteht unter Luxus etwas anderes. Wenn jemand zu uns kommt und sich lediglich umschaut, sich die Produkte und die Menschen anschaut und dabei ein schönes Erlebnis hat und glücklich wieder geht, dann haben wir unser Anliegen erfüllt. Natürlich freuen wir uns, wenn die Menschen auch etwas kaufen, aber in erster Linie wollen wir ein Ort der Erlebnisse und der Zusammenkunft sein – der Gemeinschafts-Gedanke ist uns sehr wichtig, unsere Besucher sind ein wichtiger Teil des Ganzen.

Bemerken Sie einen Unterschied zwischen dem Publikum in Ihren verschiedenen Häusern?

Berlin ist die Modestadt Deutschlands, da sieht man gewisse Trends früher. München und Hamburg sind in manchen Bereichen vielleicht etwas klassischer. Wir haben eine sehr gute Balance zwischen Lokalkolorit und internationalem Flair und stellen die Qualität dabei über alles. Damit sprechen wir das breite Publikum sehr gut an.

Wie ist es möglich, dass solche Einrichtungen ein ganzes Jahrhundert voller Kriege, Pandemie und digitale Revolution überleben konnten?

Das hängt viel damit zusammen, nicht nur am Puls der Zeit zu bleiben, sondern auch Pulsgeber zu sein, sich immer wieder zu hinterfragen und mutig zu sein, um neue Wege zu gehen. Nichts ist vergänglicher, als wenn man gestern gut war. Die ständige Bereitschaft, sich zu verändern, ist ein wesentliches Element, denn nur so kann man etwas Neuem eine Chance geben. Gleichzeitig ist es wichtig zu wissen, wer man ist und was man repräsentiert. Das gilt sowohl stationär als auch im Omnichannel, wo wir in unserem Onlineshop unseren Kunden die Möglichkeit geben, bei uns einzukaufen, auch wenn sie nicht bei uns im Store vorbeischauen können. Wir sind zwar auch auf anderen Plattformen wie TikTok präsent, glauben aber generell nicht daran, dass man immer überall dabei sein muss. Der Ausgangspunkt für uns ist die Loyalität zu unserer Marke, im zweiten Schritt entscheidet sich, wie die Customer Journey weitergeht. In unserem Fokus der letzten Jahre stand der aktuelle Umbau unserer Häuser, erst danach wollten wir das Thema E-Commerce angehen. Aufgrund der Pandemie haben wie diese Planung um zwei Jahre vorgezogen und innerhalb von zwölf Wochen den Onlineshop entwickelt und live geschaltet, um ihn nach und nach auf die unterschiedlichen Produktbereiche auszuweiten – angefangen bei Fashion über Beautyprodukte bis hin zu Home-Produkten und Food ist in Planung. Bei diesem Projekt war das Commitment des Teams ganz entscheidend, und es war eine sehr spannende Zeit für uns im Jahr 2020, in der wir in kürzester Zeit einen Meilenstein nach dem anderen erreicht haben. Generell ist die Verbindung unserer Kolleginnen und Kollegen mit den jeweiligen Häusern sehr eng, und wir achten sehr darauf, sie in Transformationsphasen mitzunehmen und beispielsweise auch beim Umbau regelmäßig am Fortschritt teilhaben zu lassen.

Gibt es noch weitere Digitalisierungsprojekte, die derzeit im Fokus stehen?

Wichtig ist es, immer zu hinterfragen, was dem Gast tatsächlich hilft, sich bei uns entspannt und gut zu orientieren – dabei wollen wir keine Reizüberflutung auslösen. Beispielsweise haben wir eine Umfrage durchgeführt, um herauszufinden, was die größte Hürde für unsere Besucher ist, und dabei ist herausgekommen, dass das Anstehen an der Kasse als unangenehm empfunden wird. Also arbeiten wir an Möglichkeiten, diesen Prozess zu beschleunigen, etwa durch Mobile Payment oder Self Check-out. Wir arbeiten kontinuierlich daran, die Customer Journey zu optimieren – egal, ob online oder offline. Gleichzeitig digitalisieren wir unsere internen Prozesse und bauen den Bereich laufend weiter aus.

Wie stellen Sie sicher, dass Sie die Produkte anbieten, die derzeit auch tatsächlich begehrt sind?

Wir haben eine großartige Einkaufsabteilung; unsere Kolleginnen und Kollegen dort sind im Prinzip Trendscouts und Flächenmanager, die festlegen, wie viel Platz sie welcher Marke geben, welche Marken neu aufgenommen werden und welche neuen lokalen Marken es gibt. Natürlich kommen auch sehr viele Anbieter auf uns zu, die unser Portfolio bereichern möchten, und die Aufgabe unserer Einkäufer ist, zu antizipieren, was das Relevante von morgen und übermorgen ist und bei uns in den Häusern einen Platz finden soll. Dafür gibt es internationale Messen und Fashionshows, aber das Kuratieren des Sortiments ist am Ende die Aufgabe des Einkäufers.

Sie waren auch vier Jahre lang im Alsterhaus in Hamburg beschäftigt und haben dort von 2015 bis 2018 den Transformationsprozess mit begleitet. Können Sie uns ein wenig mehr darüber erzählen?

Das Alsterhaus ist der Store, der sich sicherlich am meisten gewandelt hat. Das KaDeWe hier in Berlin hatte schon immer einen gewissen Markenmix im Angebot, dass aber beispielsweise Louis Vuitton seine exklusiven Popup-Stores regelmäßig im Erdgeschoss des Alsterhauses präsentiert, wäre vor sieben, acht Jahren undenkbar gewesen. Das Alsterhaus kommt traditionell eher aus dem Bereich Tücher und Stoffe und hat sein Angebot in den vergangenen Jahren sehr stark weiterentwickelt. Es hat diese Transformationsphase gebraucht, um das Haus wieder in dem Glanz erstrahlen zu lassen, wie es das noch vor ein paar Jahrzehnten tat und prominente und schillernde Persönlichkeiten aus der ganzen Welt anzog – wie beispielsweise Prinz Charles und Lady Diana, die unsere Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum im Jahr 1987 besucht hatten.

Der Oberpollinger wurde 1905 von einer hanseatischen Kaufmannsfamilie gegründet …

… deshalb haben alle unsere Häuser auch eine Kogge, ein Schiff der Hanse, in ihrem Wappen, welches auch außen an der jeweiligen Fassade angebracht ist.

Nach der Zerstörung des Gebäudes durch einen Bombenangriff im Jahr 1945 wurde der Oberpollinger neun Jahre später feierlich wiedereröffnet, und auch nach der Jahrtausendwende erfuhr der Oberpollinger eine Kompletterneuerung. Von 2016 bis 2021 wurde es unter der Leitung des britischen Architekten John Pawson erneut umgebaut – würden Sie sagen, dass der permanente Wandel tief in der DNA des Oberpollinger steckt?

Veränderungsbereitschaft ist immer wichtig, das ist völlig unabhängig vom Geschäftsmodell. Dabei haben wir stets besonders darauf geachtet, sowohl unsere Teams als auch unsere Kunden durch jeden Wandel hindurch mitzunehmen und ihn als Chance zu verstehen – auch wenn das bedeutet, dass man eine Zeit lang eine Rolltreppe nicht benutzen oder einen Teil des Gebäudes nicht betreten kann. Unsere Aufgabe war es dann immer in solchen Zeiten, diese Einschränkungen so weit wie möglich aufzufangen und die Menschen bei der Veränderung zu begleiten. Klar ist jedenfalls, dass der Wandel notwendig ist, und er ist auch der Grund dafür, warum die großen Department Stores wie unsere, aber auch andere wie Selfridges; das gesamte vergangene Jahrhundert überdauert haben.

Ein britischer Architekt und die bayerische Tradition – wie geht das zusammen?

Sehr gut sogar! Genauso wie OMA, das von Rem Koolhaas aus Rotterdam gegründete Architekturbüro, das hier für Teile des KaDeWe verantwortlich war und auch im LAMARR in Wien zur Entstehung beiträgt – diese internationalen Star-Architekten wissen genau, was sie tun, wenn sie so ein Gesamtprojekt übernehmen. Dazu gehören natürlich sehr umfangreiche Briefings zur DNA, zum Wesen der Einrichtung und der Stadt. Auch das stellt am Ende die Symbiose her zwischen internationalem Flair und lokalem Charakter. Im Innenbereich, etwa in den einzelnen Quadranten des KaDeWe oder den Ebenen im Oberpollinger und im Alsterhaus, wirken dann unterschiedliche Architekturbüros, sowohl lokale als auch internationale. So entstehen Einkaufswelten, die sowohl architektonisch als auch vom Produktportfolio immer wieder überraschen und trotzdem eine zeitgemäße, natürliche Einheit bilden.

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Über Timo Weber:

Timo Weber, 39
General Manager KaDeWe, Retail Director KaDeWe Group

Timo Weber ist seit 2018 General Manager des KaDeWe und seit Anfang dieses Jahres zusätzlich Retail Director der KaDeWe-Gruppe. Seit zwölf Jahren ist er in der Unternehmensgruppe beschäftigt, unter anderem war er auch General Manager des Alsterhauses von 2015 bis 2018, wo er den Transformationsprozess begleitete. In seiner neuen Rolle als Retail Director der Gesamtgruppe verantwortet er unter anderem die Expansion mit den beiden neuen Department Stores, dem Carsch Haus in Düsseldorf und dem LAMARR in Wien.

 

Über SIGNA Group:

Die SIGNA Holding ist eine führende europäische Immobilien- und Einzelhandelsgruppe. Teil der Gruppe ist SIGNA Retail, zu deren Portfolio auch die KaDeWe Group, GLOBUS und weitere Einzelhandelsunternehmen gehören.

 

Über CENTRAL Group:

Die in Thailand ansässige CENTRAL GROUP ist eine führende Einzelhandelsgruppe mit Fokus auf stationäre und digitale Einzelhandelsformate und begann ihre Expansion nach Europa im Jahr 2011. Im Jahr 2013 ging CENTRAL eine Partnerschaft mit SIGNA ein, um 2015 gemeinsam in die KaDeWe Group zu investieren und diese zu entwickeln.

 

Hedy Lamarr:

1914 kam Hedy Lamarr als Hedwig Kiesler in Wien zur Welt, wurde für das Theater entdeckt und erlangte 1933 durch den Film Ekstase breite Bekanntheit. 1937 flüchtete sie nach Hollywood, änderte ihren Namen in Hedy Lamarr und erlangte als Schauspielerin Weltruhm.

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www.kadewe.de

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Picture credit © Harrods


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