VON SABINE FUSS
(Veröffentlicht in THE GAZETTE Ausgabe 02 im April 2023)
Microsoft gilt nicht nur als Vorreiter in Sachen Digitalisierung, auch im Kampf gegen den Klimawandel hat sich das Unternehmen hohe Ziele gesetzt. Aber damit nicht genug: Jeder soll davon profitieren können.
Das Wort Sustainability ist längst in unseren Köpfen verankert, aber wie sieht es eigentlich mit der Umsetzung davon in Unternehmen aus? Wie können Arbeitsplätze nachhaltiger gestaltet werden, sodass ein nennenswerter Beitrag für die Umwelt geleistet wird? Und wie sieht es mit der Emissionsreduktion in der Supply Chain aus? Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigt sich seit Langem auch Microsoft, denn nicht nur die Innovation ist dem Unternehmen sehr wichtig, auch die Umwelt liegt ihm besonders am Herzen.
Damit die Welt gemeinsam gegen die zunehmenden Emissionen ankämpfen kann, gab Microsoft bereits 2020 bekannt, seine Erkenntnisse der Nachhaltigkeitsverpflichtungen offenzulegen. Aber das ist nicht das einzige Ziel: Der firmeneigene CO2-Fußabdruck des bereits seit 2012 CO2-neutralen Unternehmens soll komplett aus der Atmosphäre entfernt und bis 2030 der Status CO2-negativ erreicht werden. Das bedeutet, dass Microsoft mehr CO2 aus der Atmosphäre binden und letztendlich bis 2050 so viel zurückholen will, wie das Unternehmen seit seiner Gründung im Jahr 1975 verursacht hat. Das gilt zusätzlich auch für die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette von Microsoft.
Klingt nach einer großen Herausforderung, die nicht nur die passende Technologie benötigt, auch das Umdenken aller spielt hierbei eine beachtliche Rolle. Wie genau das Konzept und die Umsetzung dafür aussehen, verrät Dr. Marianne Janik, Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland im Interview.
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Interview mit Dr. Marianne Janik, Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland
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Bis 2030 kohlenstoffnegativ (carbon negative) zu werden, ist eines der großen Ziele von Microsoft. Wie ist das machbar?
Das ist nur machbar, wenn wir uns als Unternehmen – und das heißt: alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei Microsoft – in dem Ziel einig sind, dass wir größere und schnellere Fortschritte bei der Verringerung der Kohlenstoffemissionen erzielen müssen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur, unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft abzumildern. Vor uns liegt eine gewaltige Aufgabe, aber wir haben auch die passenden Werkzeuge, um sie zu lösen. Dazu gehören vorrangig die digitalen Technologien. Sie helfen Unternehmen, Kosten zu sparen und Emissionen zu senken, sie können den Energieverbrauch berechnen und verringern, so lassen sich knappe Ressourcen besser nutzen und überhaupt datengestützte Entscheidungen treffen. Und ganz praktisch: Ein Video-Call ersetzt so manche Dienstreise. Es mangelt nicht an Möglichkeiten und Werkzeugen, wir müssen nur endlich starten. Die Zeit der Ausreden ist vorbei!
Warum ist Nachhaltigkeit nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Unternehmen?
Klimaschutz liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse von uns allen – auch und gerade bei Unternehmen. Erfolgreiche Führungskräfte sehen Nachhaltigkeit nicht als Kostenfaktor, sondern als Kernstück ihrer Geschäftsstrategie. Nachhaltigkeitsgebote stehen unserer Zukunft nicht im Wege, im Gegenteil: Sie steigern erheblich das europäische BIP, sie schaffen neue Beschäftigungsmöglichkeiten und nicht zuletzt auch Innovationsfelder, also ganz neue Branchen. Und wenn wir uns anstrengen, die bedrohlich näher rückenden, unumkehrbaren Klimakipppunkte abzuwenden, dann ersparen wir uns als Menschheit vor allem im globalen Süden nicht nur viel Leid und Elend, sondern sorgen auch für eine friedlichere Zukunft. Die Aussicht auf Klimaextreme wie Dürren und Fluten und auf Klimakriege um knappe Ressourcen sollte uns alle anspornen!
Was ist nötig, um in den Köpfen der Unternehmen ein Umdenken anzustoßen? Und wie kann Microsoft dabei helfen?
Wir wollen als gutes Beispiel vorangehen, aber auch darüber hinaus. Die Erfahrungen, die wir bei der Umsetzung unserer ambitionierten Nachhaltigkeitsstrategie machen, stellen wir daher unseren Kunden und Partnern zur Verfügung: Wir helfen ihnen, mit unserem Know-how und unseren Innovationen den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verringern – unser Angebot digitaler Technologien reicht da von Data Science bis künstliche Intelligenz.
Wie macht Microsoft Nachhaltigkeit messbar?
Man kann nur das verbessern, was man auch messen kann. Deswegen sind die Erfassung, Speicherung und Auswertung nachhaltigkeitsbezogener Daten entscheidend. Deren schiere Menge ist aber so groß und wächst so schnell, dass kein Mensch dazu in der Lage wäre. Hier kommt unsere KI-gestützte, automatisierte Analyse ins Spiel: die Microsoft Cloud for Sustainability. Die Umwandlung von Daten in verwertbare Erkenntnisse zur Verbesserung von Geschäfts- und Herstellungsprozessen, zur Verringerung der Umweltauswirkungen von Betriebsabläufen, zum Aufbau einer nachhaltigeren IT-Infrastruktur oder zur Schaffung umweltfreundlicherer Lieferketten wird durch Messbarkeit erst möglich.
Wie können wir uns Nachhaltigkeit in der Supply Chain vorstellen? Inwiefern beeinflusst Microsoft die Arbeit seiner Partner, Kunden und Zulieferer?
Wir arbeiten an der Digitalisierung der Lieferketten, denn hier besteht großes Potenzial. Die wichtigsten Lieferketten der Welt – Lebensmittel, Konsumgüter, Bauwesen – sind laut Weltwirtschaftsforum für mehr als die Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Ernst & Young hat herausgefunden: Auf die Lieferketten entfallen 50 bis 70 Prozent der Betriebskosten eines Unternehmens und mehr als 90 Prozent seiner Treibhausgasemissionen. Digitale Technologien und smarte Datenanalyse können Lieferketten innerhalb kurzer Zeit effizienter und resilienter machen, insgesamt aber auch ökologischer. In unserem Einkauf ist Nachhaltigkeit klar als Kriterium definiert. Wer mit uns zusammenarbeiten möchte, muss Wert auf Nachhaltigkeit legen.
Ihre Azure-Kunden können auf Knopfdruck die detaillierten Nachhaltigkeitskennzahlen Ihres Unternehmens im Zusammenhang mit der Nutzung von Microsoft Cloud-Diensten anzeigen und bewerten lassen. Sehen Sie Features wie diese als Enabler für eine nachhaltige Denkweise bei Ihren Kunden?
Selbstverständlich: Je mehr wir wissen, desto besser! Wer als Unternehmen seinen CO2-Fußabdruck ermitteln will, muss natürlich auch wissen, wie viel an anderer Stelle durch die Cloud-Dienste entsteht, die das Unternehmen nutzt. Wir sind daher gefordert, diese Emissionen transparent zu machen – und es spornt uns an, sie weiter zu senken. Denn wenn uns das gelingt, sinkt auch der von unseren Kunden verursachte Fußabdruck. Diese Transparenz ist also ein direkter Enabler nicht nur im Denken, sondern auch in realen Effekten.
Microsoft geht im Bereich der Nachhaltigkeit auch unkonventionelle Wege. Vor ein paar Jahren wurde beispielsweise ein Unterwasser-Rechenzentrum erfolgreich getestet. Welche Erkenntnisse konnten Sie daraus mitnehmen?
Wir wollten herausfinden, ob es eine technische Umsetzung für eine ökologisch sinnvolle Idee gibt. Denn für ein Rechenzentrum unter Wasser sprechen viele Gründe: Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt weniger als 200 Kilometer von der Küste entfernt. Wenn die Datenzentren im Meer in der Nähe von Städten liegen, müssen Daten nur kurze Entfernungen zurücklegen. Das macht das Surfen im Internet oder Video-Streaming und Gaming schneller und reibungsloser. Die Ergebnisse waren sehr ermutigend: Die Server arbeiten unter Wasser achtmal zuverlässiger als an Land. Unsere Forscher und Forscherinnen vermuten, dass hier die Stickstoffatmosphäre viel weniger korrosiv ist als Sauerstoff und dass Server in einer menschenfreien Umgebung weniger beschädigt oder verunreinigt werden. Hier ist niemand, der seinen Kaffee verschüttet oder Staub aufwirbelt. Außerdem übernimmt Meereswasser die Kühlung der Anlage, wir sparen also Strom. Wir schauen jetzt, welche dieser Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt sich übertragen lassen.
Nicht nur technologisch gesehen will Microsoft einen grünen Fußabdruck hinterlassen. Von der Forstwirtschaft, hin zur Kohlenstoffentfernung und -speicherung aus Biomasse sowie die Mineralisierung; alles sind Initiativen, in die Microsoft investiert. Bitte erläutern Sie uns kurz die Idee und Wichtigkeit dahinter.
Wir haben zum Beispiel einen Klima-Innovationsfonds initiiert, der über einen Zeitraum von vier Jahren eine Milliarde Dollar in neue Technologien investiert. Die Idee: Wir wollen den Zugang für Innovationskapital erleichtern, und zwar für alle Menschen, die an nachhaltigen Zukunftstechnologien arbeiten. Wir unterstützen sinnvolle, messbare Klimalösungen in den Bereichen Kohlenstoff, Umweltschutz, Wasser und Abfall. Das ist deswegen wichtig, weil wir neue Technologien dringend benötigen, um die Herausforderungen für den Schutz des Planeten zu bewältigen. Aber auch um unsere eigenen Klimaziele zu erreichen: Wir wollen schließlich bis 2050 auch unsere historischen CO2-Emissionen aus der Atmosphäre entfernt haben. Dazu brauchen wir ganz neue technologische Ideen und bauen übrigens gerade ein „Carbon Removal Portfolio“ mit Lösungen auf, die messbar wirken und transparent sind. Diese Informationen stellen wir auch anderen zur Verfügung.
Wie fördern Sie bei ihren eigenen Mitarbeitern nachhaltiges Denken? Gibt es hier Initiativen, in die sich jeder einbringen kann, oder ein Vorschlagswesen für Mitarbeiter?
Die Nachhaltigkeit zu verbessern, ist für jeden unserer Beschäftigten ein ganz konkretes Businessziel. Wir haben dazu eine interne CO2-Abgabe eingeführt. Damit ist jeder und jede Beschäftigte aufgefordert, so nachhaltig wie möglich zu arbeiten – wie gut das dann gelingt, wirkt sich unmittelbar auf die Ergebnisse des eigenen Bereichs aus. Für jede Geschäftsreise und die dadurch verursachten Emissionen außerhalb von Microsoft (Scope 3) haben wir die CO2-Abgabe auf 100 Dollar pro ausgestoßener Tonne CO2-Äquivalent erhöht. Jeder Beschäftigte, jede Idee zählt. Und natürlich wollen wir die besten Ideen auch skalieren.
Welche Ideen gibt es, um Microsoft-Produkte nachhaltiger zu gestalten? Beispielsweise im Bereich der Verpackung oder Maintenance von Hardware.
Wir denken Nachhaltigkeit konsequent auf allen Ebenen. In unseren Rechenzentren setzen wir neueste Prozessoren mit höchster Effizienz ein. Insgesamt wollen wir die Recycling-Quote bei Servern und Bauteilen bis 2025 auf 90 Prozent steigern. Wir achten grundsätzlich auf den Einsatz von umweltfreundlichen, kohlenstoffarmen Baumaterialien und engagieren uns für die Renaturierung der umgebenden Flächen. Wo immer es möglich ist, ziehen wir die nachhaltigere Lösung vor. Die Verpackungen unserer Surface-Produkte werden bis 2030 zu 100 Prozent recycelbar sein. Schon jetzt nutzen wir für viele Produkte recyceltes Material. In unseren Computermäusen beispielsweise kommt recyceltes Meeresplastik zum Einsatz.
Nachhaltigkeitsziele werden ebenfalls von Regierungen und Gemeinschaften (zum Beispiel von der EU) – teilweise sogar in Form von Gesetzen – vorgegeben. Wie denken Sie darüber?
Nachhaltigkeit ist zu einem Eckpfeiler der EU-Politik geworden. Das begrüßen wir. Der Europäische Green Deal gibt uns einen rechtlich verbindlichen Weg zur Klimaneutralität bis 2050 vor. Das Europäische Klimagesetz verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken, und das Paket „Fit for 55“ enthält zahlreiche Gesetzesinitiativen, die sich auf Unternehmen auswirken, darunter Maßnahmen für Energieeffizienz und zur Kreislaufwirtschaft. Das sind Herausforderungen für jedes Unternehmen. Aber: Wir können in den nächsten zehn Jahren zwischen 700.000 und einer Million grüner Arbeitsplätze schaffen, wenn der Green Deal in der gesamten Europäischen Union erfolgreich umgesetzt wird. Der Green Deal ist eine europäische Wachstumsstrategie. Und die wollen wir mit unserer Technologie unterstützen.
Welche zukünftigen Projekte stehen noch in Bezug auf Nachhaltigkeit an?
Microsoft arbeitet derzeit an einem Planetary Computer. Das ist eine smarte Cloud, die einen Multi-Petabyte-Katalog globaler Umweltdaten bietet, und zwar mit leicht zugänglichen Schnittstellen. Es geht uns um den Aufbau eines globalen Umweltnetzwerks, das seinen Nutzern erlaubt, sich in Echtzeit mit wichtigen Informationen über den Zustand unseres Planeten zu versorgen – Daten, die auch Naturschutzakteuren zur Verfügung stehen. Wir wollen mit unseren Kunden und Partnern, aber auch mit politischen Entscheidungsträgern und Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten, um eine für eine nachhaltige Welt erforderliche Infrastruktur aufzubauen.
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Über Dr. Marianne Janik:
Die gebürtige Französin und promovierte Juristin verfügt über jahrelange Vertriebs- und Führungserfahrung in verschiedenen Unternehmen und Branchen. Ihre berufliche Karriere startete Dr. Marianne Janik bei der Daimler Benz AG im Bereich Public Affairs. Ab Juli 2015 war sie als Country General Manager für die Leitung von Microsoft Schweiz zuständig. Zuvor verantwortete sie rund vier Jahre lang die Bereiche öffentliche Verwaltung, Bildung und Gesundheitswesen in der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland. Dr. Marianne Janik ist seit November 2020 Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland.
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Picture credit © Microsoft
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