VOLLKOMMENHEIT ALS MASSSTAB

VOLLKOMMENHEIT ALS MASSSTAB

Das luxuriöse „Bespoke“-Programm
von Rolls-Royce 

VON ANJA FAHS

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 3 2014)

“Strebe nach Perfektion, in allem was Du tust. Nimm das Beste, das es gibt, und mache es besser. Wenn etwas noch nicht existiert, schaffe es.“
(Sir Frederick Henry Royce)

Dieses Streben nach Perfektion prägte den Geist der Marke Rolls-Royce von Beginn an. Der konsequente Perfektionismus von Sir Frederick Henry Royce bildete die Basis des Erfolges – und tut es heute noch.  

Seit der Gründung vor 110 Jahren ist die britische Marke spezialisiert auf luxuriöse Automobile, die individuell nach Kundenwunsch in liebevoller Handarbeit angefertigt werden – die sogenannte „Bespoke“-Individualisierung. Vor rund einhundert Jahren war praktisch jeder Rolls-Royce eine Spezialanfertigung. Auch heute werden 95 Prozent aller Rolls-Royce speziell für den Kunden hergestellt, produziert wird erst nach Bestellung. Die präzise Umsetzung individueller Kundenwünsche machen fast jeden Rolls-Royce zu einem Unikat. Das wird von den Besitzern geschätzt: Bis heute sind mehr als 75 Prozent aller jemals gebauten Wagen der Marke Rolls-Royce noch erhalten.

Wir sprechen mit Alex Innes, Bespoke-Designer bei Rolls-Royce Motor Cars in Goodwood, England, über die neue „Waterspeed Collection“. Diese Sonderserie aus 35 speziell gestalteten Phantom Drophead Coupés zeigt, dass der „Bespoke“-Individualisierung kaum Grenzen gesetzt sind und kein Material zu exklusiv und kein Kundenwunsch zu ausgefallen für einen Rolls-Royce sein könnte.

Woher stammt der spezielle Ausdruck „Bespoke“?

Alex Innes: Der Ausdruck stammt ursprünglich aus der britischen Schneiderkunst des 17. Jahrhunderts in der Savile Row in London. Als der Schnitt und die Stoffe für ein maßgeschneidertes Kleidungsstück mit dem Kunden ausgewählt wurden und man sich per Handschlag mit dem Satz “wie besprochen – (to) be-spoken-for“ geeinigt hatte. Daraus etablierte sich für hochwertige Einzelanfertigungen der feste Begriff “Bespoke”, und diese Philosophie gilt auch noch heute für die individuelle Anfertigung der weltbesten Automobile.

Welche außergewöhnlichen Kundenwünsche durfte Rolls-Royce beispielsweise schon in seinen Modellen umsetzen?

A. I.: Wir haben einmal die Lackierung eines Fahrzeugs passend zu einer Lippenstiftfarbe gemacht oder Türverkleidungen gefertigt, in die bestimmte Thermoskannen integriert wurden, und wir haben einen Picknickkorb passend zum Fahrzeug entworfen.

Aus welchen Ländern der Welt bzw. von welchen Kunden kommen die ausgefallensten Wünsche?

A. I.: Die Regionen oder Länder unterscheiden sich eher in den Bereichen, in denen eine Individualisierung gewünscht wird. Da ist die Farbe der Lackierung ein gutes Beispiel. Wie jeder sicherlich weiß, ist im Mittleren Osten die Farbe des Fahrzeugs ein klares profilierendes Statement für die Individualisierung. Unsere Kunden dort wünschen sich kräftige Farben und wir erarbeiten mit ihnen einige sehr auffallende Ergebnisse. Das steht im krassen Gegensatz zu Asien, wo man im allgemeinen sagen kann, dass die Farben – abgesehen von einigen mutigen Kunden – eher konservativ gewählt werden und dafür der Fokus auf die Details im Fahrzeuginnenraum gelegt wird.

Können Sie sich an einen Wunsch erinnern, der selbst die Zauberer von „Bespoke“ an seine Grenzen brachte?

A. I.: Ja, das war sicherlich die Geschichte, die ich vorhin schon kurz erwähnte. Wir haben einmal zwei Thermos-kannen in die Türen eines Phantom Drophead Coupés integriert. Dieser individuelle Wunsch bedeutete einen hohen technischen und auch Design-Aufwand. Alles für einen einzigen Kunden.

Was macht die exzellente Qualität eines Rolls-Royce aus?

A. I.: Die herausragende Qualität eines Rolls-Royce basiert auf den Materialien, die für ihn verwendet werden. Holz, Leder und weitere qualitativ sehr hochwertige Materialien werden von eigens ausgewählten Handwerksmeistern verarbeitet.

Bei einem Rolls-Royce denkt man sofort an Tradition, perfekte Qualität und höchste Handwerkskunst. Aber auch was die Spitzentechnologie angeht, sind Rolls-Royce-Fahrzeuge State of the Art. Welche Innovationen gibt es hier?

A. I.: Ja, das stimmt auf jeden Fall. Die Gestaltung eines Rolls-Royce ist ausschließlich darauf ausgerichtet, die perfekt ausgewogene Verbindung zwischen Tradition und dem, was es an modernster Technik und aktuellem Design gibt, zu erlangen. Ein gutes Beispiel ist der Start der Satellite-Aided-Transmission (SAT)-Technik im Wraith – dieses satellitenunterstützte Getriebe verleiht dem Antriebsstrang eine völlig neue Dimension der Mühelosigkeit, die perfekt zu Rolls-Royce passt. SAT nutzt GPS-Daten, um im Vorfeld Straßenbedingungen zu erkennen, die der Fahrer selbst noch gar nicht sieht. Es plant bereits die kommenden Fahrbewegungen, je nach Umgebung und aktuellem Fahrstil, und wählt dann den entsprechenden Gang, passend zum kommenden Straßenverlauf und Gelände.

Rund 1.000 Beschäftigte arbeiten in der Rolls-Royce-Manufaktur im südenglischen Goodwood daran, die besten Autos der Welt zu erschaffen. Wie lange dauert es, bis ein Fahrzeug fertiggestellt ist?

A. I.: Dazu braucht es 60 Paar Hände und ungefähr 600 Stunden.

Jüngst wurde das erste Fahrzeug einer auf 35 Fahrzeuge limitierten Edition von speziellen Phantom Drophead Coupés vorgestellt. Wer oder was inspirierte die Designer zu diese sogenannten Waterspeed Collection?

A. I.: Die Waterspeed Collection wurde designt, um Sir Malcolm Campbells Geschwindigkeits-Weltrekord auf dem Wasser zu feiern, das war 1937 auf dem Lago Maggiore. Er schaffte dies in einem Wasserflugboot Bluebird K3, das von R-Type-Motoren von Rolls-Royce angetrieben wurde.

Angelehnt an die Spitzentechnologie, die in Sir Malcolm Campbells Bluebird K3 zum Einsatz kam, finden bei der Waterspeed Collection nur die neuesten und exklusivsten Materialien Verwendung. Was wurde hier verarbeitet?

A. I.: Das ist eine wunderbare Auswahl von Materialien. Zum Beispiel gebürsteter Stahl, der perfekt mit dem exklusiv entwickelten Farbton Maggiore Blue harmoniert, während handgearbeitete Abachi-Holz-Inlays das Gefühl vermitteln, auf einer mühelos durchs Wasser gleitenden Yacht zu sein. Dazu erwecken die Coachline sowie die Lasergravuren im Innenraum Campbells Bluebird-Logo zu neuem Leben.

Erster Gedanke, wenn es um Individualisierung geht, ist sicherlich ein besonderer individueller Farbwunsch. Welche Besonderheit hat der eigens für die Waterspeed Collection entwickelte blaue Farbton?

A. I.: Der spezielle Farbton Maggiore Blue wirkt auf der Fahrzeugoberfläche wie fließendes Wasser – und zwar von außen genauso wie im Innenraum. Neun Farbschichten werden dafür aufgetragen. Dann wird in einem aufwendigen Prozess die Oberfläche von Hand sandgestrahlt und danach mit einem Pulverlack beschichtet, um ein makelloses Finish zu erlangen.

Gibt es einen besonderen Farbton, den Sie persönlich gerne einmal an einem Rolls-Royce sehen würden?

A. I.: Meine Meinung dazu ändert sich praktisch täglich! Das Tolle daran, in Goodwood zu arbeiten, ist, dass man all diese Fahrzeuge, die in die ganze Welt ausgeliefert werden, erstmalig hier an einem Platz hat und sieht, welch unglaubliches Spektrum an Farbvielfalt sie zeigen. Die Farbauswahlen und Kombinationen unserer Kunden inspirieren mich immer wieder.

Wenn Sie sich ein Rolls-Royce-Modell individualisiert bestellen könnten, welche Wünsche hätten Sie persönlich?

A. I.: Auch hier ändert sich meine Vorstellung stets. Aber da ich sehr eng in die Entwicklung der exklusiven Aviator und Waterspeed Collection involviert war, würde ich sagen, dass es eines dieser speziellen Modelle wäre. Für mich präsentieren sie eine Designqualität und auch einen historischen Bezug, der einzigartig bei Rolls-Royce-Fahrzeugen ist.

Was wäre für Sie persönlich die perfekte Fahrt bzw. Strecke in einem Rolls-Royce?

A. I.: Ich muss sagen, dass die meisten Fahrten in einem Rolls-Royce sehr nahe an der Perfektion sind! Aber für mich persönlich wäre das sicherlich eine Strecke in Schottland, meiner Heimat. Ich komme leider nicht so oft dorthin zurück, wie ich eigentlich sollte. Aber ein einsames Entlangleiten die Westküste hoch, an Glencoe vorbei, in einem Phantom Coupé – das wäre in der Tat sehr schön.

ALEX INNES Alex

Seit sechs Jahren entwirft Alex Innes Bespoke-Designs für die anspruchsvolle Kundschaft von Rolls-Royce. Er hat in den letzten Jahren etliche exklusive Sonder-Kollektionen geschaffen und mit den kreativsten Kunden rund um den Globus zusammengearbeitet. Alex Innes ist unter anderem für die Entwicklung von grundlegenden Design-Konzepten verantwortlich. Er ergründet Kundenwünsche und entwickelt und erprobt zukünftige Design-Möglichkeiten, um die Angebote des Rolls-Royce-Bespoke-Programms kontinuierlich zu erweitern.

rolls-roycemotorcars.com

Picture credits © Rolls-Royce


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