SWIMMING BRITAIN

SWIMMING BRITAIN

Extrem-Ausdauersportler Sean Conway schwimmt 900 Meilen die ganze britische Westküste entlang

VON ANJA FAHS

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 3 2014)

Haben Sie schon jemals daran gedacht, mit dem Auto quer durch Großbritannien zu fahren? Von Süden nach Norden, die legendäre Strecke von „Land’s End“ im äußersten Südwesten Cornwalls bis nach „John O’Groats“ im rauen schottischen Norden? Bekannt ist die Route bei Fahrrad-Enthusiasten, und manche sind sie sogar gewandert – aber niemand hatte bisher die Idee, diese Strecke entlang der englischen Westküste zu schwimmen! Bis auf den britischen Ausdauer-Abenteurer Sean Conway. „Swimming Britain“ war seine bisher schwerste Herausforderung und eine ungeheure Leistung. Über 900 Meilen in eisiger, rauer See, zwischen riesigen Hochsee-Tankern und giftigen Quallen, bei einer Wassertemperatur von nicht mehr als 14 Grad Celsius.  

Sean Conway ist ein Extrem-Ausdauersportler und Abenteurer. Er fuhr 16.000 Meilen mit dem Fahrrad einmal um die Welt und kletterte auf den Kilimandscharo. Hat etliche Ausdauerrennen auf der Welt absolviert, er fuhr mit dem Rad in 24 Stunden von London nach Paris, sowie 1.300 Meilen quer durch Großbritannien. Im letzten Jahr stand sein jüngstes großes „Hardcore Adventure“ an: Swimming Britain! 

Das Projekt zu planen war unglaublich schwer. Sean Conway hatte niemanden, den er um Rat fragen konnte, denn niemand hatte so etwas je getan. Die Idee zu Swimming Britain schwirrte schon seit über einen Jahr in seinem Kopf umher. Aber gerade die Logistik, vor allem rund um die Crew, die ihn bei seinem Unterfangen begleiten, versorgen und unterstützen sollte, war in großes Problem. Wer könnte mit ihm das Abenteuer bestreiten? Wie viele Leute brauchte er überhaupt? Was für ein Begleitboot war notwendig, wie waren die Meeresströmungen, wie könnte die Route unter den gegebenen Wetterbedingungen sein? Und davon, dass das Unmögliche doch möglich wäre, waren auch Sponsoren nur schwer zu überzeugen – erst einige Wochen vor Start kam der Sportartikelhersteller Speedo an Bord, was bei den restlichen Vorbereitungen sehr half. 

Das alles nahm viel Zeit in Anspruch, und darunter litt vor allem Seans Training. „Ich habe nicht einmal annähernd genug trainiert, bin nur dreimal die Woche eine Stunde im Pool geschwommen. Dazu etwas Krafttraining“, berichtet Sean. Sein Training im Meer erschöpfte sich in einer dreistündigen Runde im Hafen von Portsmouth. Er wusste, dass sein Vorhaben eigentlich blanker Wahnsinn war. Andererseits verursachte ihm der Gedanke, jeden Tag um die gleiche Zeit aufstehen und die gleiche Arbeit verrichten zu müssen, um seinen Existenz bestreiten zu können, Panikattacken. So hatte er schon gelebt und es hatte ihn krank gemacht. Er wusste, er wollte sich selbst an seine Grenzen bringen – psychisch und physisch. Das ist sein Grund, morgens aufzustehen, und seine größte Motivation. Zudem wollte er andere Menschen mit seinem Abenteuer inspirieren und unterwegs die Pausenzeiten zwischen den Schwimmetappen nutzen, um Schulen, Universitäten und Schwimmklubs zu besuchen. Denn Sean will Menschen dazu ermutigen, eigene Fitness-Initiativen zu gründen und auch das Schwimmen als Sport mehr zu unterstützen. Ein zweiter Motivationsgrund war der Support-Gedanke für die Kinder-Charity-Organisation „War Child“, für die Sean mit seinen Extrem-Abenteuern Spendengelder sammelt. 

Am 30. Juni 2013 war es soweit. Von Land’s End aus tauchte Sean ins Wasser. Begleitet wurde er von drei Personen, einem Begleitboot mit der Ausrüstung und Verpflegung an Bord und einem kleinen Kajak, an dem Sean angebunden war, um nicht von der Strömung zu weit von den Helfern abgetrieben zu werden. Die Route verlief von Cornwall aus durch den Ärmelkanal nach Wales. Von hier aus ging es durch die Irische See bis zur Isle of Man, da hatte Sean die ersten 400 Meilen hinter sich. Zum Schutz gegen die Quallenstiche im Gesicht hatte er sich einen Bart wachsen lassen, sein restlicher Körper war durch den Schwimmanzug „Speedo Super Tri Elite“ gut geschützt. Trotzdem erwischten ihn im Laufe der Tour drei Stiche im Gesicht und mehrere an den Händen. Alle 90 Minuten musste Sean mindestens 800 Kalorien zu sich nehmen, um überhaupt bei Kräften bleiben zu können. Er ernährte sich hauptsächlich von haltbaren Fertiggerichten, die er mit Butter und Olivenöl sowie Kohlehydraten, beispielsweise Pasta, Reis oder Süßkartoffeln, anreicherte. 

Aber jetzt lag der schwierigste Teil noch vor ihm, denn er näherte sich den eisigen Fluten vor Schottlands Küsten. „Die Kälte hat mir am meisten zugesetzt“, berichtet Sean. „Ich bin sehr schlank und habe nicht besonders viel Körperfett. Das Wasser hatte oben im Norden nur noch eine maximale Temperatur von 11 Grad.“ Es war bereits November und die Herbststürme türmten fast 6 Meter hohe Wellenberge auf. Sobald er Cape Wrath umrundet hatten, geriet Sean in ernste Schwierigkeiten. Obwohl die Wettervorhersage gut war, frischte der Wind plötzlich auf und der Wellengang wurde so stark, dass das Kajak aufgeben und am Begleitboot vertäut werden musste. Sean schwamm weiter, denn sie nutzen gerade eine starke Strömung nach Norden, als eine Welle das Kajak umwarf und die Leinen losriss. Sie mussten stoppen und auf dem Schiff Schutz suchen. Den Verlust des Kajaks beschrieb Sean später als einen der schlimmsten Momente. Trotzdem dachte er niemals ans Aufgeben. Sie waren nur noch sieben Tage von John O’Groats entfernt, aber das schlechte Wetter zwang sie südlich von Naive Islands erneut zum Abwarten. Einige Tage später kündigten sich zwei Gut-Wetter-Fenster an und Sean kämpfte sich wieder durch die hohen Wellen der schottischen See. 

Endlich, am 11. November 2013, nach 135 Tagen im Meer, schwamm er die letzten 200 Meter in den Hafen von John O’Groats und wurde jubelnd von seiner Familie und seinen Freunden empfangen. 

Heute sagt Sean Conway, dass Swimming Britain bei weitem das schwierigste und härteste Abenteuer seines Lebens war. Er hatte 3 Millionen Schwimmzüge hinter sich, was ungefähr 56.000 Pool-Bahnen entspricht, über eine halbe Millionen Kalorien verbrannt, sechs Schwimmanzüge und 10 Schwimmbrillen verbraucht und sicherlich 20 Liter Salzwasser geschluckt. Trotzdem schmiedet er schon wieder neue Pläne und hätte Lust auf einen Ausdauerlauf – vielleicht von Kairo nach Kapstadt oder auch entlang der Panamericana von Alaska nach Feuerland, wir werden sehen...

seanconway.com

Picture credits © Sean Conway


Leave a comment

Please note, comments must be approved before they are published