KITCHENSURFING AUF DER STRASSE

KITCHENSURFING AUF DER STRASSE

Street Food ist ein globaler kulinarischer Trend und mausert sich zum neuen Stern am Gourmethimmel

VON ANJA FAHS

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 3 2014)

Fettige Pommes, in Ketchup ertränkte Currywurst und welker Salat sind inzwischen passé, wenn es um den aktuellen Trend im mobilen Imbissgeschäft geht. Street Food ist modern, gesund, lecker und vor allem authentisch. Köche bereiten Snacks und Spezialitäten aus aller Welt frisch am Straßenrand zu und verkaufen sie gleich vor Ort. Das hat in vielen Ländern eine lange Tradition: In Thailand und Vietnam liebt man Garküchen, die Tandoori-Chicken, Saté oder die Reisnudelsuppe Pho anbieten – immer frisch zubereitet und raffiniert abgeschmeckt mit wundervollen Gewürzen und frischen Kräutern. In Afrika sind „Prego“, Steaksandwiches, an jeder Straßenecke zu bekommen und in Mexiko gehören frische Tortillas und heiße Churros zum alltäglichen Bild in den Städten und Dörfern.

Street-Food-Märkte boomen inzwischen auch in den großen europäischen Städten. In London beispielsweise findet im Sommer fast an jedem Tag der Woche ein Street-Food-Markt in einem anderen Stadtteil statt. Die beiden großen Veranstalter „KERB“ und „Street Feast“ versammeln die besten Anbieter auf ihren Märkten und bieten den Besuchern nicht nur kulinarische Highlights. Es gibt auch grandiose Cocktails, dazu sorgen verschiedene DJs mit cooler Lounge-Musik für eine entspannte Atmosphäre. Die Street-Food-Märkte sind längst wichtige Dreh- und Angelpunkte der urbanen Szene. Hier treffen sich Studenten genauso wie Businessleute, Familien und Künstler – und sogar Sterneköche schauen manchmal vorbei. 

Die Köche und ihre Rezepte kommen aus ganz unterschiedlichen Orten und Ländern – hier kann man die ganze Welt probieren. Das spiegelt auch die kulturelle Vielfalt der britischen Hauptstadt wieder. Oft sind es Migranten, die spezielle Rezepte ihrer Heimat anbieten und somit das Street Food authentisch machen. Aber egal ob es eine typische argentinische Chimichurri-Sauce zum scharf gegrillten Rindersteak ist, die eine junge Köchin aus Argentinien zaubert, oder ein karibisches Fladenbrot mit stundenlang gegartem Fleisch von unglaublich zarten Sparerips in einer höllisch scharfen Sauce – es wird Wert auf Produkte aus biologischem Anbau gelegt und diese werden meist von regionalen britischen Produzenten bezogen. Auch eine fantasievolle Präsentation der Köstlichkeiten ist hier immer mit dabei. Beispielsweise die praktische, faltbare „Freedom Box“ der Rainbo-Köche, die pralle Edamame-Sojabohnen mit koscherem Meersalz enthält, sowie knackigen asiatischen Kohlsalat mit frischer Minze, karamellisierten Chili-Erdnüssen und einem süßen Limettendressing. Dazu gibt es japanische Gyoza-Teigtaschen, wahlweise gefüllt mit Bio-Tofu oder Hähnchenfleisch von freilaufenden Hühnern. Immer sind die Gerichte gesund, frisch zubereitet und kreativ präsentiert. 

Street Food wird an Ständen oder Wagen verkauft, die von Kleinunternehmern betrieben werden. Nicht selten arbeitet die ganze Familie auf solch einem „Street Food Cart“ mit. Gute Street-Food-Händler wechseln regelmäßig ihr Angebot, um so Zutaten der Saison zu verwenden. Das macht sich auch im Preis bemerkbar, denn Saison-Produkte sind oft billiger einzukaufen, weil es dann aktuell mehr auf dem Markt gibt. 

In den USA und in England nähert sich die Qualität des Street Food allmählich der Gourmetküche. Vor allem die britischen Celebrity-Köche – von Jamie Oliver über Lorraine Pascale bis zu Hugh Fearnley-Whittingstall – besuchen gerne die Märkte, um sich inspirieren zu lassen und auch kreative Street-Food-Händler mit ihren Rezepten in ihren TV-Kochshows vorzustellen. 

In Deutschland sind wir leider noch nicht ganz so weit. In Berlin jedoch hat sich der erste Street-Food-Markt als feste Institution etabliert. In der Markthalle Neun in Kreuzberg findet jeden Donnerstag von 17 bis 22 Uhr der „Street Food Thursday“ statt. Hier fühlt man sich schon fast wie im Londoner Street-Food-Markt-Paradies in Dalston Yard. Konkret heißt das: Es gibt würzige britische Pies zu probieren, saftiges amerikanisches BBQ, thailändische Tapioka-Dumplings, mexikanische Tacos, Allgäuer Kässpätzle, zartschmelzende französische Schokoladenkuchen, peruanische Ceviche, skandinavische Seafood-Köstlichkeiten oder koreanische Buns. Hier können sich alle diejenigen, die kein Restaurant und kein großes Startkapital, aber dafür umso mehr Kreativität haben, ihrer Leidenschaft widmen: dem Kochen. Und wenn dabei Köstlichkeiten entstehen, wie eine Rinderschulter, die 24 Stunden in Cidre eingelegt wurde, 11 Stunden sous-vide gegart wurde und dann in einem warmen, hausgebackenen Kartoffelbrötchen mit karamellisierten Zwiebeln und frischem Schnittlauch serviert wird, kommen wir jeden Donnerstag wieder zum Street-Food-Markt. 

markthalleneun.de
kerbfood.com

Picture credits © Kate Beard


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