Der chinesische Telekommunikationsausrüster Huawei setzt konsequent auf Qualität
VON ANJA FAHS
(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 3 2014)
Huawei rüstet Deutschlands Telekommunikation für die Zukunft. Der weltweit führende Telekommunikationsausrüster aus Shenzhen in China beliefert 45 der Top-50-Telekommunikationsbetreiber mit seinen Lösungen. Neben Netzwerk-Infrastruktur, Enterprise Business, Professional Service und Software gehören auch mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablet-PCs zum Portfolio des Unternehmens. Weltweit ist Huawei in 170 Ländern aktiv und beschäftigt über 150.000 Mitarbeiter – davon sind mehr als 70.000 im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Kein Wunder, dass Huawei das fortschrittlichste Unternehmen Chinas ist. Trotzdem kennt hier kaum jemand das Unternehmen. Wir sprechen mit Deutschlandchef Cheng Ji über die Veränderungen in der digitalen Welt und darüber, was dies für den deutschen und auch chinesischen Markt bedeutet.
Ein Drittel der Weltbevölkerung nutzt direkt und indirekt Huawei-Produkte. Welche Verantwortung bedeutet das im Hinblick auf die Qualität Ihrer Produkte?
Cheng Ji : Moderne Gesellschaften sind in immer größerem Maße auf eine funktionierende Kommunikationsinfrastruktur, seien es Netze oder Endgeräte, angewiesen. Digitale Kommunikation revolutioniert Industrie und Dienstleistungen und verändert unser Privatleben. Natürlich haben Technologieanbieter wie wir hier eine zunehmend größer werdende gesellschaftliche Verantwortung, dass möglichst immer und überall reibungslos kommuniziert werden kann. Huawei möchte dazu nicht nur durch eine hohe Produktqualität und große Kundenzufriedenheit beitragen, sondern zum Beispiel auch durch verschiedene Initiativen, um die digitale Kluft zu überbrücken. Dazu gehört, auch entlegene und sehr ländliche Regionen zu bezahlbaren Preisen mit Internetzugang zu versorgen. Im Falle von Naturkatastrophen bauen wir in sehr vielen Weltregionen schnell mit Notfallteams Kommunikationsinfrastrukturen auf, die es den Rettungskräften ermöglichen, miteinander zu kommunizieren und so sehr viel schneller die notwendige Hilfe leisten zu können. Nach Erdbeben oder schweren Stürmen kann eine schnell wieder funktionierende Kommunikationsinfrastruktur viele Menschenleben retten. Das verdeutlicht, wie hoch die Verantwortung in unserer Industrie mittlerweile ist.
Huawei erzielte letztes Jahr einen Umsatz von über 29 Milliarden Euro – ein riesiges Unternehmen und vollständig privat geführt: Es gehört zu 100 Prozent den Mitarbeitern. Wie kam es dazu?
C. J.: Wir wurden 1987 in der südchinesischen Sonderwirtschaftszone Shenzhen gegründet, in der schon damals größere ökonomische Freiheiten bestanden. Das Startkapital war sehr bescheiden und so wurde es von Anfang an zum Prinzip, dass die Mitarbeiter selbst in ihr Unternehmen investiert haben. Dieses große Engagement und die daraus resultierende hohe Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen haben es Huawei auch ermöglicht, sich erfolgreich zu globalisieren, so dass wir mittlerweile in mehr als 170 Ländern auf der Erde aktiv sind.
Im Jahr 2000 startete Huawei auch in Europa. Welches Land hier hat den größten Nachholbedarf in Sachen Telekommunikation? Wo sehen Sie die größten Potenziale?
C. J.: Europa ist ein sehr wichtiger Markt für uns, eine Art zweiter „Heimatmarkt“. In einer so dynamischen und hochinnovativen Branche muss ständig investiert werden, um über die bestmögliche Kommunikationsinfrastruktur zu verfügen. Während derzeit in vielen Ländern Europas und auch in Deutschland die Versorgung mit LTE, also der vierten Mobilfunkgeneration, ausgebaut wird, arbeiten wir von Huawei im Bereich Forschung und Entwicklung mit anderen Industrievertretern bereits an 5G, der nächsten Generation. Diese soll ab 2020 kommerziell verfügbar sein und 100-mal schnellere Übertragungsraten ermöglichen als die jetzige Generation. Dies ist Voraussetzung dafür, dass viele Visionen in den Bereichen Smart Cities, Smart Factory oder Smart Home Wirklichkeit werden, und hier wird noch über viele Jahre immenser Investitionsbedarf in ganz Europa bestehen.
Wie unterscheidet sich die chinesische Mentalität von der deutschen hinsichtlich der Nutzung von Online-Medien?
C. J.: Ich kenne keine wissenschaftlichen Studien, die dies systematisch vergleichen. Aus der Erfahrung fällt mir auf, dass Chinesen soziale Medien teilweise anders nutzen. Zum Beispiel scheint mir, dass soziale Medien als alternative Informationsquelle zu den traditionellen Medien in China eine größere Rolle spielen als in Deutschland. Auch Online-Shopping scheint mir in China noch sehr viel weiter verbreitet.
Sind Chinesen aufgeschlossener gegenüber neuen Medien oder neuen Technologien als Deutsche?
C. J.: Zweifelsfrei gibt es in China eine große Begeisterung für neue Medien und Technologien. Zwischen 2008 und 2012 hat sich Anzahl der Internetnutzer in China auf knapp 600 Millionen Menschen nahezu verdoppelt. In einem Land mit sehr großer gesellschaftlicher Dynamik wie China werden die Chancen der neuen Technologien vielleicht noch stärker gesehen als es in Deutschland der Fall ist.
Deutschland will im Digitalen weltweit führend werden. Ist Deutschland ein Land für digitale Innovationen?
C. J.: Der Hauptsitz von Huaweis Europäischem Forschungszentrum ist in München. Dort arbeiten wir unter anderem an der 5G-Technologie. Wir haben in den letzten Jahren in über 30 Forschungskooperationen mit 19 verschiedenen deutschen Universitäten und Forschungsinstitutionen wie zum Beispiel der Fraunhofer-Gesellschaft zusammengearbeitet. Mit Industrie 4.0 hat die deutsche Bundesregierung ein anspruchsvolles Projekt angestoßen, um die klassischen Industrien mit digitaler Kommunikationstechnologie zu revolutionieren. Deutschland braucht sich nicht zu verstecken, was digitale Innovationen angeht. Deswegen investieren wir gerne in diesem Bereich in Deutschland.
Gilt „Made in Germany“ heutzutage noch als ein Qualitätssiegel für Produkte?
C. J.: In einer globalisierten Wirtschaft werden in komplexeren Produkten in der Regel Komponenten verbaut, die in ganz unterschiedlichen Ländern hergestellt werden. Das gilt für die IT-Branche sicher genauso wie zum Beispiel für die Automobilindustrie. Und auch die Entwicklung von Produkten geschieht häufig in internationalen Teams, die nicht unbedingt nur in einem Land arbeiten. Insofern gibt es häufig kein reines „Made in Germany“ oder „Made in China“ mehr. Durch globale Wertschöpfungsketten werden Produkte häufig besser und günstiger. Davon profitieren Verbrauer entsprechend. Aber selbstverständlich gibt es starke deutsche Marken, etwa in der Automobilindustrie oder im Maschinenbau, die nach wie vor weltweit für eine exzellente Qualität stehen.
Bisher hatten Produkte aus China eher ein schlechtes Image und galten häufig nur als Kopien von beispielsweise europäischen Markenprodukten. Heute jedoch kommen die Innovationen aus China. Was hat sich verändert?
C. J.: Laut unserer Huawei-Studie, in der wir dieses Jahr zum zweiten Mal Wahrnehmung und Realität im deutsch-chinesischen Verhältnis untersucht haben, dominiert in der deutschen Bevölkerung noch die Wahrnehmung von China als Produktionsstandort. Bei Politikern und Wirtschaftsentscheidern in Deutschland hingegen ist das Bild als Innovationsstandort bereits ausgepägter. Politik und Wirtschaft in China haben erkannt, dass Wachstum und Wohlstand ohne Innovationen nicht nachhaltig realisiert werden können. China wird den Weg von der Werkbank der Welt zu einem ihrer wichtigsten Labore konsequent weitergehen. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, zu erkennen, dass Innovationsprozesse immer weniger national, sondern zunehmend global sind. Deutsche und europäische Unternehmen betreiben Forschung und Entwicklung in China, und chinesische wie wir investieren in Forschungseinrichtungen in Deutschland, Europa und auf anderen Kontinenten.
Könnten Sie sich persönlich ein Leben ohne Mobiltelefon vorstellen?
C. J.: Vorstellen ja, aber es wäre zweifelsfrei eine große Umstellung, die den beruflichen und privaten Alltag sehr verändern würde.
Auf welches weitere technische Produkt möchten Sie im Alltag nicht verzichten müssen?
C. J.: Das Internet, wenn man es ein „Produkt“ nennen möchte.
Was fehlt Ihnen hier in Deutschland, wenn Sie an China denken?
C. J.: Meine Eltern und viele chinesische Freunde.
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Huawei ist ein Telekommunikationsausrüster aus Shenzhen. Rund ein Drittel der Weltbevölkerung nutzt schon heute direkt oder indirekt Huawei-Produkte. Der Konzern beliefert 45 der Top-50-Telekommunikationsbetreiber mit seinen Lösungen. Zudem werden Geschäftskunden mit Netzwerk-Infrastrukturen und Software versorgt. An Privatkunden richtet sich Huawei mit seinen mobilen Endgeräten. Doch nicht überall, wo Huawei drin ist, steht auch Huawei drauf: So werden USB-Surf-Sticks und WLAN-Router von Huawei unter anderem von T-Mobile, Vodafone und O2 vertrieben.
CHENG JI
Cheng Ji ist CEO bei Huawei Deutschland. Cheng stammt aus Peking und studierte Informationstechnologie an der Elite-Universität Beida. Heute lebt und arbeitet er in Düsseldorf.
Picture credits © Huawei
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