ICH WAR DOCH NICHT BLÖD

ICH WAR DOCH NICHT BLÖD

Eine etwas andere Firmengeschichte

VON ANJA FAHS

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 1 2014)

Walter Gunz ist ein Mann, der eine ganze Industrie revolutioniert hat. Als er vor über 34 Jahren mit Partnern seinen ersten Elektronikmarkt eröffnete, war das ein riskantes Unternehmen, das mit einigem Kopfschütteln quittiert wurde. Doch die Firma Media Markt wuchs rasant und betreibt heute 650 Märkte in 15 Ländern. Zusammen mit ihrem Schwesterunternehmen Saturn machte sie 2011 über 21 Milliarden Euro Umsatz. Trotz des großen Erfolgs von Media Markt stieg Walter Gunz im Jahr 2000 aus dem Unternehmen aus und fand Erfüllung in anderen Dingen. Über sein Leben, seine Werte und seine Visionen hat er jetzt ein Buch geschrieben. Wir sprechen mit Walter Gunz über seine Biografie „Ich war doch nicht blöd“, die uns auf eine spirituelle Reise durch Politik, Business, Ökologie, Philosophie, Glauben und Religion führt.

Herr Gunz, Sie waren ein Pionier und Revolutionär, als Sie 1979 mit Ihren Partnern den ersten Elektronikmarkt auf einer grünen Wiese eröffneten. Offenbar sind Sie ein risikofreudiger Mensch?

Walter Gunz: Wenn man verstanden hat, dass es im Leben keine Sicherheiten gibt, und die Angst bezwungen hat, dann bricht man gerne zu neuen Ufern auf. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“

Wie würden Sie Ihre berufliche Laufbahn in vier Wörtern beschreiben?

W. G.: Freiheit, Freude, Verantwortung, Eierkuchen.

Der geniale Slogan „Media Markt: Ich bin doch nicht blöd“ stammt von Ihnen – und ihn kennt heute praktisch jedes Kind. Sie galten als der kreative Kopf im Unternehmen, waren sehr erfolgreich. War das nicht erfüllend für Sie?

W. G.: Teil einer tollen Truppe zu sein, gemeinsam etwas zu erobern, Vertrauen zu empfangen und zu geben – es war eine schöne Zeit.

Wann wurde Ihnen klar, dass ein Leben auf der beruflichen Überholspur nichts mehr für Sie ist? Gab es ein Schlüsselerlebnis?

W. G.: Ich denke, alles hat seine Zeit, man muss lernen loszulassen. Warum? Damit man wieder neu aufbrechen kann. „Wenn du an einen Ort kommst, wo Buddha nicht ist, gehe weiter, wenn du an einen Ort kommst, wo du Buddha findest, laufe weiter.“ Es ist gefährlich, an dem Ort des Erfolges zu verharren, man wird dann gerne träge. 

Heute leben Sie einen Großteil des Jahres in Marrakesch. Wie kamen Sie ausgerechnet nach Marokko?

W. G.: Schon als junger Mann hat mich dieses Land fasziniert. Esel, Dromedare, der Ruf des Muezzins, Palmen, der Mond als Schale, und das Licht … 

Sie haben sich in Marrakesch zu einem nervenaufreibendem Großprojekt hinreißen lassen: Der kompletten Renovierung eines großen Riads. Woher kam die Leidenschaft für ein Bauprojekt?

W. G.: Ich liebe Herausforderungen. Ebenso die maurische Architektur, die Balance der Dinge, die zur Schönheit führt. Das konnte ich bei meinem Riad wieder zum Leben erwecken und zusammenbringen. Ich habe das Riad wieder zu seinen Wurzeln geführt und somit seinem Land zurückgegeben.

Würden Sie sagen, dass das Bauprojekt in Marrakesch auch eine Art „Therapie“ für Sie war?

W. G.: Ich denke nicht, dass es eine Therapie war, aber eine Aufgabe. Man findet sich erst und wird zu dem, was man wirklich ist, wenn man sich aufgibt. Es geht also um Aufgabe, und das in vielen Bereichen. Beispielsweise in der Liebe oder in der Kunst, wo man etwas anderes zu seiner neuen Mitte macht.

Würden Sie sich selbst als spirituellen Menschen bezeichnen?

W. G.: Es heißt, der Geist bewegt die Materie. Über Hingabe und Empathie zur Wahrnehmung zu gelangen, könnte man schon als spirituellen Weg bezeichnen. Ich denke, der Glaube ist es, der die Berge versetzt.

Spielte auch Marrakesch – eine für unseren Kulturkreis doch eher exotische Stadt – eine Rolle bei der Entdeckung Ihrer spirituellen Seite und einer persönlichen Neuorientierung im Leben? Hat die Stadt Sie beeinflusst?

W. G.: Marrakesch als Ort der Ruhe und Inspiration auf alle Fälle! Wichtige Kapitel des Buches habe ich dort geschrieben. Als ich die genialen Bücher von Annemarie Schimmel über den Islam las, entdeckte ich Marrakesch. Eine persönliche Neuorientierung war Marrakesch für mich insofern, als dass ich nach der Beschäftigung mit dem Buddhismus und der jüdischen und christlichen Lehre dort meine Kenntnisse über den Islam erwarb.

Gibt es oder gab es eine Art Leitfigur in Ihrem Leben, an der Sie sich auf Ihrem beruflichen Weg orientierten? Oder auch im privaten Bereich?

W. G.: Es war eine große Gnade, ein Geschenk, wirklichen Meistern zu begegnen. Ich habe als ihr Schüler gelernt und war begeistert, die Dinge im Alltag Wahrheit und Wirklichkeit werden zu lassen. Sie haben letzten Endes eine Art Melodie in meinem Herzen hinterlassen. Zwischen Privatem und Geschäftlichem habe ich nicht unterschieden.

Werte sind die Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Welche Werte haben Sie immer beeinflusst – beruflich wie auch privat? Und wie war dies für Ihren Erfolg ausschlaggebend?

W. G.: Glaube, Liebe, Hoffnung – wo sie meine Begleiter waren, hat es sich oft zum Guten gewendet.

Wenn Sie Ihren bisherigen Lebensweg betrachten, was Sie erreicht haben, wo Sie heute stehen – wie würden Sie da für sich ein „erfülltes Leben“ definieren?

W. G.: Auch heute bin ich unterwegs. Nach dem „Finden“ wieder auf dem Weg bleiben. Und ich bin mir sicher, dass die erfüllten Stunden des Lebens die sind, in denen man geliebt hat! 

Und wie hätten Sie das vor 20 Jahren definiert?

W. G.: Das hätte ich vor zwanzig Jahren nicht anders definiert.

An was glauben Sie? Was gibt Ihnen Kraft, welche Vision treibt Sie an?

W. G.: Was mich antreibt ist der Glaube, dass jeder von uns wichtig ist. Vor allem die Hoffnung hat mich besonders angetrieben. Im Sinne von Václav Havel: „Hoffnung ist nicht Optimismus. Es ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas einen Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“

Was wünschen Sie sich noch für Ihr Leben? Haben Sie Träume, die Sie zu verwirklichen suchen?

W. G.: So gerne würde ich etwas weitergeben von dem, was ich empfangen durfte – vor allem Hoffnung. Dann wünsche ich mir natürlich, dass all das Gute, was in meinem Buch steht, Wahrheit wird, wie in meiner Lieblingsgeschichte dort.

Können wir uns bald auf ein zweites Buch von Ihnen freuen? 

W. G.: Vorher möchte ich einen Film machen, der heiter und tiefgründig ist. Gerne möchte ich das Buch „Dienstanweisungen an einen Unterteufel“ von C. S. Levis verfilmen.

seltmannundsoehne.de

Picture credits © Franky May


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