GRÜN UND GELB VOR NEID

GRÜN UND GELB VOR NEID

Wie Emotionen das Kundenverhalten verändern können

VON DR. INGA WOBKER

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 2 2014)

Dass Emotionen unser tägliches Denken, Handeln und Fühlen bestimmen, ist keine Neuigkeit. Zahlreiche Verhaltensstudien und Alltagsanekdoten belegen dieses Phänomen. Viele Unternehmen greifen dies mittlerweile auf und versuchen bei ihren Kunden möglichst positive Emotionen hervorzurufen. Doch auch negative Emotionen wie Neid können eine gewaltige Dynamik mit sich bringen.

Neid vergiftet die Seele, sagt man. Aber auch, dass man sich Neid verdienen muss, während man Mitleid geschenkt bekommt. Er ist eine der sieben Todsünden und zudem noch die, die am wenigsten Spaß macht. Zahlreiche tragische Geschichten, angefangen bei Kain und Abel, ranken sich um Neid. Ärger, Wut, Boshaftigkeit, Begehren, Traurigkeit und ein Empfinden, dass man ungerecht behandelt wurde; all das zählt dazu. Diese Emotion ist evolutionsbedingt tief in uns verankert. Forscher nehmen an, dass Neid eine Art „Frühwarn-System“ darstellt, wenn ein Konkurrent im täglichen Kampf um die Ressourcen besser aufgestellt ist. Deswegen ist Neid auch so schmerzhaft: Er soll den Willen in uns hervorrufen, diesen Wettbewerbsnachteil schnell auszumerzen und dadurch die eigenen Überlebenschancen zu verbessern. Für die Beurteilung der eigenen Überlebenschancen war dabei nicht die absolute Menge an Ressourcen ausschlaggebend. Vielmehr spielte der Vergleich mit anderen und somit die relative Menge die ausschlaggebende Rolle. Besaß man mehr als alle anderen, war man dadurch in der Partnerwahl attraktiver und konnte die Fortpflanzung sichern. 

Dabei gibt es zwei Wege, mit dem Neid umzugehen: den motivatorischen und den destruktiven. Bei motivatorischem Neid nutzt man die Wut, aber auch die Bewunderung darüber, dass jemand mehr hat oder besser ist als man selbst, um seinen eigenen Ehrgeiz anzufachen. Was ein anderer erreicht hat, will man für sich selbst auch erreichen. Beim destruktiven Neid versucht man der entsprechenden Person zu schaden und sie dadurch auf sein eigenes, niedrigeres Level herunterzustufen. Aus evolutorischer Perspektive ist es interessanterweise egal, welchen Weg man wählt. In beiden Fällen hat sich der Unterschied zwischen dem Neider und dem beneideten Konkurrenten verringert und der Neider hat dadurch seine Überlebenschancen verbessern können. Gerade in Deutschland kommt häufig der destruktive Neid zum Vorschein. So geisterten zum Beispiel vor einigen Jahren die Themen „Reichensteuer“ und „Sozialneid“, entfacht durch die ungleiche Verteilung von Reichtum, durch die Medien. Es wurde eher nach (destruktiven) Möglichkeiten gesucht, den Reichen etwas von ihrem Vermögen abzuziehen, statt nach Strategien, wie Menschen, die weniger Geld zur Verfügung haben, ihren Lebensstandard verbessern können. Damit verbunden wurde eine selbstreflektorische Diskussion darüber geführt, warum die Deutschen im Allgemeinen neidischer sind als andere Nationen. Gerade in Ländern, in denen das persönliche Streben nach Erfolg so wertgeschätzt wird wie in den USA, ist Neid auf beispielsweise Besserverdienende weniger ausgeprägt. Das Empfinden von Neid ist zwar tief in unseren Genen verankert, doch wie wir damit umgehen, wird kulturell geprägt. Und etwas neidisch zu sein ist eben typisch deutsch.

Wie drastisch die Folgen von Neid sein können, wurde in einem Verhaltensexperiment der Zeppelin Universität in Friedrichshafen analysiert. In einem Laborsetting wurden jeweils zwei zufällig ausgewählte Teilnehmer anonym miteinander gepaart. In der ersten Phase hatten beide Probanden ein reales, monetäres Startbudget zur Verfügung, von dem sie einen Teilbetrag bei einem Glücksspiel einsetzen konnten, das allerdings nur einer der beiden gewinnen konnte. Der Gewinner des Glücksspiels bekam einen relativ hohen Geldbetrag, der Verlierer erhielt nichts. In einer zweiten Phase konnte der Verlierer unter Aufwendung des restlichen Startbudgets dafür bezahlen, dass der Gewinner einen Teil seines Geldes oder den gesamten Betrag verliert. Wenn der Verlierer beispielsweise 2 Euro dafür verwendete, verlor der Gewinner 20 Euro. Ökonomisch war dieses Verhalten unsinnig, denn der Verlierer bekam das Geld nicht etwa selbst gutgeschrieben. Vielmehr wurde es lediglich dem Gewinner abgezogen. Dennoch nutzten etwa ein Drittel der Verlierer diese missgünstige Option und brachten die Gewinner damit im Schnitt um die Hälfte ihres Gewinnes – und dies ohne persönlichen finanziellen Vorteil. Vielmehr mussten sie ihr verbleibendes Startbudget dafür aufwenden, um dem Gewinner diesbezüglich zu schaden. Dass verstärkt Männer so handelten, verwundert vor dem Hintergrund der Evolutionstheorie nicht. So sollen sie in ihrer Rolle als Jäger und Beschützer ihrer Familien durch status-orientierte Emotionen angetrieben werden, während Frauen stärker mit fürsorglichen Emotionen wie Empathie ausgestattet sind. Nach ihren Gefühlen befragt, gab ein Teil der Neider an, dass sie sich nun besser fühlten, weil sie die Möglichkeit hatten, den anderen für seinen Reichtum zu „bestrafen“. Doch immerhin wurden sich auch einige über ihr impulsives Handeln bewusst. Sie gaben im Nachhinein zu, dass es ihnen unangenehm sei, dass ihre destruktiven Gefühle gegenüber ihren unbekannten Mitspielern überhandgenommen hatten. Dass kaum einer angab, aus Neid gehandelt zu haben, verwundert nicht. Schließlich ist Neid mit negativen Assoziationen behaftet und sozial unerwünscht. Denn: Neidisch sind immer nur die anderen.

Doch auch für Unternehmen sind Emotionen, die Kunden im Kauf- und Produktnutzungsprozess empfinden und anhand ihres Verhaltens wiederspiegeln, von immer größerer Bedeutung. Positiv belegter, motivatorischer Neid dient in der Werbung schon lange als Konsumantrieb für das neueste Parfüm, die neueste Luxushandtasche oder das neueste iPhone. Doch ein weiteres verhaltensökonomisches Experiment an der Zeppelin Universität zeigte, dass auch die destruktive Form des Neides bei Kunden eine große Rolle spielt. So wurde deutlich, dass Kunden sehr genau wahrnehmen, ob andere Kunden beim Einkauf besser behandelt werden und in den Genuss bestimmter Vorzüge kommen, die sie selbst nicht erhielten. Etwa wenn sie beobachteten, dass andere zu besseren Preisen einkauften oder sonstige monetäre oder nicht-monetäre Vorzüge erhielten, fühlten sie sich vom Unternehmen betrogen und reagierten dementsprechend verärgert. Dies löste einerseits eine große Unzufriedenheit bei den Kunden aus, auf der anderen Seite konnten schwerwiegende Konsequenzen für die Unternehmen beobachtet werden, wie beispielsweise eine Abwanderung zur Konkurrenz. Negatives Word-of-Mouth im Internet oder gegenüber Freunden und Bekannten, Beschwerden bei der Verbraucherzentrale, aber auch Rachsucht sorgten zudem für schädliche Multiplikatoreneffekte. 

Um dies zu vermeiden, ist es für Unternehmen wichtig, zu vermitteln, warum andere Kunden gewisse Vorzüge verdienen und gleichzeitig für Akzeptanz dieser Praktiken zu werben. Der Geschäftsmann, der die Lufthansa-Fast-Lane nutzen darf, hat im Normalfall eben auch mehr für seinen Flug bezahlt. Schwieriger wird es, wenn Unternehmen versuchen, den Bonus, den sie bei Stammkunden haben, auszunutzen. Vor einigen Jahren haben Amazon-Nutzer in den USA beobachtet, dass sie, wenn sie bereits öfter DVDs bei Amazon bestellt hatten, mehr für weitere DVDs zahlen sollten als Neukunden. Sie nahmen an, dass Amazon darauf spekuliere, dass den Stammkunden ein kleiner Aufpreis nichts ausmachen würde. Dies sorgte für einen großen Aufschrei und weitreichende Proteste. Amazon beeilte sich daraufhin, diese Pricing-Praktiken einzustellen. Wenn Unternehmen Kunden differenzieren, sollten sie sich also genau darüber bewusst sein, ob die Vorteile, die eine Differenzierung beispielsweise durch eine bessere Abschöpfung der Zahlungsbereitschaften mit sich bringt, negative Aspekte wie Neid unter den Kunden ausgleicht. Denn der Gewinn anderer wird eben auch bei Kunden häufig als eigener Verlust empfunden, gegen den es aufzubegehren gilt.

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DR. INGA WOBKER

Dr. Inga Wobker promovierte an der Zeppelin Universität, Friedrichshafen, zum Thema zwischenmenschliche Emotionen in der Wirtschaft. Sie präsentierte ihre Ergebnisse auf zahlreichen internationalen Konferenzen und publizierte in hochrangigen Fachzeitschriften. 

Picture credits © www.istockphoto.com, TheresaTibbetts


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