GROOMING CLUBS

GROOMING CLUBS

Besuch im Barber-Shop zur traditionellen Nassrasur
mit dem Messer

VON ANJA FAHS

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 3 2014)

Blättert man Männer-Fashion- und Lifestylemagazine durch oder streift aufmerksam durch die Szene-Restaurants und Bars unserer Cities, wird klar: Der Trend zum Bart ist ungebrochen! Spätestens seitdem eine Diva mit Bart ganz Europa beim Eurovision Song Contest begeisterte, ist die Zier im Gesicht des Mannes auf der Trendskala ganz oben angekommen. Im Kielwasser der Männerbart-Euphorie sprießen plötzlich wieder lang vergessene Etablissements aus dem Boden unserer Großstädte. Und ein alter Beruf kehrt zurück: Der Barbier mit seinem charmanten altmodischen Barbier-Shop und die klassische Rasur mit dem Rasiermesser, heißem Handtuch und Seifenschaum sind der neue Trend im Wellness- und Verwöhnangebot für Männer.  

Vor allem in den USA werden moderne Babier-Läden – sogenannte „Grooming Clubs“ – regelmäßig von Stammkunden besucht. Manche Kunden kommen täglich vorbei, viele Shops bieten Jahres-Mitgliedschaften an, in denen unbegrenzt Haarschnitte und Rasuren enthalten sind. Diese Grooming Clubs sind auch auf mehr als nur auf einen kurzen „Haircut to go“ eingerichtet. Hier herrscht meist entspannte Club-Atmosphäre mit dunklem Holzinterieur, schweren Ledersesseln und wunderbaren Retro-Barbierstühlen. Viele Clubs, wie zum Beispiel „The Gents Place“ in Dallas, verfügen über eine hervorragend bestückten Bar mit alten Single Malts und feinen Cognacs, und nicht selten lädt ein traditionsreicher Billardtisch zu einer Runde Pool ein, wie beispielsweise im „The 316 Club“ in Chicago. Hier können sich Männer entspannen, die Hektik des Berufsalltags vergessen und sich verwöhnen lassen. Selbstverständlich darf oft auch geraucht werden, Zigarren werden vor Ort angeboten. 

Ausgebildete Barbiere und Friseure zelebrieren die Verschönerungsprogramme und bieten neben den bekannten Haarschnitt-Angeboten auch diverse Gesichtsmassagen, das Zupfen von Augenbrauen, Maniküre und Pediküre sowie die klassische Rasur mit dem Rasiermesser an. Diese hat eine lange Tradition. So setzten die Ägypter bereits im 4. Jahrhundert vor Christus Messer aus Gold oder Kupfer zur Rasur ein. Da die traditionelle Nassrasur mit dem Rasiermesser ein gewisses Maß an Übung verlangt, wurden sie jedoch in der modernen Zeit mehr und mehr durch die Rasur mit Wechselklingen verdrängt.

 Heute erfährt die klassische Nassrasur mit dem Rasiermesser jedoch eine Renaissance. Auch im Londoner Barber Shop „Man Made“ werden die Mitarbeiter dafür extra ausgebildet und verfügen über entsprechende Übung und Erfahrung im Umgang mit den exklusiven Rasiermessern, die besonders scharf geschliffen sein müssen. Diese Schärfe wird durch den sogenannten Hohlschliff und die ungewöhnliche Härte des Stahls der Klinge erzielt. Erfahrene Barbiere verfügen über eine Vielzahl an Messern, denn ein Rasiermesser sollte nicht täglich benutzt werden, damit sich das Material erholen kann. 

Gerade in unseren schnelllebigen Zeiten und im Trubel des Berufsalltags kann die ausführliche Nassrasur eine angenehme Entspannung und eine meditative Zeremonie sein, die immer mehr Kunden zu schätzen wissen. Sie versinken in einem herrlich altmodischen Barbierstuhl und können beobachten, wie der Seifenschaum vorbereitet wird. Das ist komplizierter als man annehmen könnte. Zur Schaumherstellung wird ein Pinsel benötigt, der aus Dachshaar besteht. Im Optimalfall wird Silberdachshaar verwendet, sagen die Spezialisten in „JA’s Razor Club“ in San Francisco, die auch in New York, Beverly Hills und Montreal Barber Clubs betreiben. Nur Dachshaar bietet die richtige Borstenstruktur, mit der sich ein guter Schaum herstellen lässt. Das Ergebnis ist eine gründlichere und schonendere Rasur, die mit normalem Rasierschaum nicht möglich wäre, da dieser nicht die Cremigkeit und sahnige Konsistenz der aufgeschlagenen Seife hat. Das Einschäumen und warme Einweichen der Barthaare mit alkalischem Rasierschaum bereitet das Gesicht optimal auf die nachfolgende Rasur vor.

Für die Rasur wird das Messer in einem Winkel von 30 Grad zum Gesicht angesetzt und vorsichtig über die Haut geführt, vor allem ohne Druck. Der richtige Winkel ist enorm wichtig, um die Haut nicht zu verletzen. Wird das Messer zu steil angesetzt, schneidet es in die Haut. Wird es dagegen zu flach benutzt, reißt es an den Bartstoppeln und ziept. Anders als beim Einweichen wird danach mit sehr kaltem Wasser das Gesicht abgespült. Alle Poren schließen sich und die Schaumreste werden entfernt. Anschließend wird das Gesicht mit einem sauberen Handtuch trocken getupft. Viele Barbiere schwören darauf, das Gesicht an der frischen Luft trocknen zu lassen. 

In den USA gibt es Grooming Clubs mit festen Mitgliedschaften in fast allen großen Städten. In Deutschland etablieren sich inzwischen auch immer mehr Barbier-Läden, so beispielsweise Timi Osmani in Stuttgart, Halit’s Barber Shop in Berlin oder Meinecke’s Barber Shop in Hamburg.

halitsbarbershop.de

thegentsplace.com

Picture credits © ProVectors/istockphoto


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