GEHÜLLT IN LUXUS

GEHÜLLT IN LUXUS

Loro Piana und die feinste Wolle
der Welt     

VON ANJA FAHS

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 1 2015)

Schon die Könige der Inkas hüllten sich in Stoffe aus einem der kostbarsten Rohmaterialien, die es auf der Erde gibt, und auch die spanischen Konquistadoren begehrten die „Seide der neuen Welt“: die Wolle der Vikunjas. Diese zierlichen südamerikanischen Tiere gehören zur Familie der Kamele und liefern die feinste und seltenste Naturfaser – von den Inkas ehrfürchtig „Faser der Götter“ genannt. Sie sprachen den Tieren magische Kräfte zu und verehrten sie als Reinkarnationen ihrer Toten.

Vikunjas leben wild in den Hochanden Ecuadors, Perus, Boliviens, Argentiniens und Chiles. In einer Höhe zwischen 3.500 und 5.500 Metern herrschen in den Anden extreme klimatische Bedingungen. Die Temperaturen können weit unter den Gefrierpunkt fallen, im Sommer herrscht Hitze und Dürre, in der Regenzeit peitschen Stürme und Hagel das raue Land. Mit ihrem feinen Vlies haben sich die Vikunjas hervorragend an die Bedingungen des Andenhochlands angepasst. Aber wegen ihres kostbaren Fells wurden sie auch jahrhundertelang gejagt und waren in den siebziger Jahren vom Aussterben bedroht. 

Auch Pier Luigi Loro Piana, aus dem traditionsreichen italienischen Familienunternehmen Loro Piana, erkannte das große Potential der Vikunja-Wolle, als er Ende der siebziger Jahre das erste Mal mit seinem Vater Franco den scheuen Tieren in den Anden begegnete. Bereits einige Jahre später waren die Brüder im Kontakt zur Peruanischen Regierung wegen der Vikunjas und des Handels mit ihrer Wolle.  

Die Familie Loro Piana stammt ursprünglich aus Trivero. Sie starteten ihr Unternehmen als Kaufleute, wechselten dann aber sehr bald in die Produktion. Die erste Fabrik entstand in Quarona im Valsesiagebiet, einer bewaldeten Gegend zu Füßen der Voralpen, mit einem reichlichen Vorrat an Wasser, der unentbehrlich für die Behandlung von Wolle ist. Seit damals hat sich das Familienunternehmen nie mehr verlagert. Mitte der siebziger Jahre übernahmen Sergio und Pier Luigi Loro Piana das Unternehmen und die Geschäftsführung von ihrem Vater Franco. Die Brüder haben es seitdem geschafft, aus der renommierten Tuchweberei eines der erfolgreichsten und wertvollsten Luxus- und Lifestyle-Labels der Welt zu machen.

Die Basis dafür liefern Ziegen, die vornehmlich in Tibet und in der Mongolei beheimatet sind: das einzigartige Kaschmir. Loro Piana gilt vor allem als Meister für das besonders wertvolle Baby-Kaschmir des Hycrus-Zickleins. Diese Faser wird durch behutsames Auskämmen der Unterwolle der Babyziegen zwischen ihrem dritten und zwölften Lebensmonat gewonnen. Beim Auskämmen gewinnt man etwa 80 Gramm feinsten Flaum, wovon nach dem Waschen kaum die Hälfte zur Verwertung übrig bleibt. Für einen Pullover benötigt man das Vlies von 19 bis 20 Baby-Hycrusziegen. Die Exklusivität dieser Kaschmir-Wolle wird lediglich von der Wolle der Vikunjas getoppt, deren Faser nur 12 bis 13 Mikron misst, das sind zwölf bis dreizehn tausendstel Millimeter. Und ein Vikunja produziert in zwei Jahren maximal 250 Gramm Wolle, von denen nach Sortierung und Auslese gerade einmal 120 Gramm zur Verarbeitung bleiben. Zudem lässt sich das Vikunja nicht züchten, es lebt nur in freier Wildbahn auf einem Gebiet enormer Ausdehnung. 

Nachdem der Bestand Ende der sechziger Jahre bis auf 5.000 Tiere geschrumpft und das Vikunja 1976 im Washingtoner Artenschutzabkommen zur bedrohten Art erklärt worden war, sind mit Hilfe von Loro Piana große Anstrengungen unternommen worden, um die Population wieder wachsen zu lassen. Loro Piana war direkt an der Wiedereinführung dieser wertvollen Faser beteiligt, nachdem sie ein entsprechendes Abkommen mit der peruanischen Regierung im Jahre 1994 unterzeichnet hatten. So erwarben die Brüder unter anderem zweitausend Hektar Grund in Peru, um hier ein privates Schutzgebiet einzurichten, das sie nach ihrem Vater Franco benannt haben. Dank dieser Bemühungen gibt es heute wieder mehr als 180.000 wildlebende Vikunjas, 150.000 davon allein in Peru.

Die Vikunja-Wolle, die von Loro Piana verarbeitet wird, trägt das Label „legally shared“: Es kann genau nachverfolgt werden, woher jeder Wollballen herkommt. So wird sichergestellt, dass die strengen Artenschutzbestimmungen strikt eingehalten werden. Loro Piana kontrolliert die Produktionskette von der Rohstoffbeschaffung bis zur Endfertigung. Aufgrund der Rarität dieses Materials bewegen sich die Vikunja-Produkte im sehr hohen Preissegment.

Seit den neunziger Jahren prosperierte das Business des Piemonteser Unternehmens sehr erfolgreich, man war damals schon der größte Kaschmir-Produzent, bedeutendster Händler für die exquisiten Stoffe und ebenfalls größter Anbieter feinster Merino-Wolle weltweit. Der Name Loro Piana hingegen war nicht so bekannt, denn man fand ihn höchstens auf den kleinen Etiketten der größten Designer. Da kamen die beiden Brüder auf die Idee, eigene Kollektionen auf den Markt zu bringen. Diese durften natürlich nicht in der klassischen Herren- oder Damenoberbekleidung angesiedelt sein, sonst wäre man schließlich in Konkurrenz zu seinen bisherigen Kunden getreten. Also besann man sich auf den sportiven Bereich, und als „Marktforscher“ hätte man niemanden Besseres finden können als sich selbst, denn die beiden Brüder verkörpern gehobenen Lifestyle pur und wissen so aus eigener Erfahrung, welche funktionellen und modischen Eigenschaften exklusive Freizeitkleidung haben sollte: Sergio als passionierter Reiter, beide als leidenschaftliche Segler und Skiläufer. Inzwischen umfasst das Produktangebot neben Stoffen für Damen-, Herren- und Kinder-Mode auch Sportmode und zahlreiche Accessoires, unter anderem für den Home-Bereich. 

Im vorletzten Jahr erwarb Loro Piana die Rechte, in Argentinien Vikunja-Wolle zu produzieren. Hier ergab sich eine weitere Verfeinerung der Vikunja-Produkte, denn es werden nun spezielle Einzelstücke nur aus den weißen Fasern des Vlieses hergestellt. Die Tiere liefern eigentlich keine weiße Wolle, aber manche Haare sind weiß. Diese wurden nun gesammelt und von der übrigen Wolle getrennt. Für große Stückzahlen reicht die Menge aber noch lange nicht aus. „Geduld ist gefragt, um den Luxusmarkt zu beflügeln. Geduld und die Bereitschaft, eigene Kreationen immer wieder auf die Probe zu stellen“ – das ist das Credo von Loro Piana und auch mit ein Grund, wieso sich der französische Luxusgüterkonzern LVMH mit der Kernmarke Louis Vuitton für Loro Piana interessierte. Er kaufte jüngst 80 Prozent der Marke, die restlichen 20 Prozent blieben im Familienbesitz. 

loropiana.com

Picture credits © Loro Piana


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