DIE LEEREN STRASSEN VON NEW YORK

DIE LEEREN STRASSEN VON NEW YORK

VON SABINE FUSS
(Veröffentlicht in THE GAZETTE Ausgabe 01 im November 2022)

Im Februar dieses Jahres hatte der Bürgermeister von New York City eine eindeutige Botschaft in seiner Pressekonferenz. Die Bürger sollen die Stadt wieder zu dem machen, was sie einst war: die Stadt, die niemals schläft.

„Was nicht passieren darf: Ihr könnt nicht den ganzen Tag im Pyjama zu Hause hocken. Das ist nicht das, was wir als Stadt repräsentieren. Ihr müsst rausgehen, Ideen austauschen, mit anderen Menschen interagieren. Das ist wichtig – wir sind soziale Wesen, und wir müssen Kontakte pflegen, um die Energie zu bekommen, die wir als Stadt brauchen.“

So eindringlich appellierte im Februar der Bürgermeister von New York City, Eric Adams, an seine Bürger und an die Entscheidungsträger in den Unternehmen. Adams plädiert für ein schnelles Ende von Homeoffice-Regelungen, weil das Fernbleiben von Büromitarbeitern für die Stadt eine wirtschaftliche Krise bedeutet. All die Cafés, Restaurants, Reinigungen und kleinen Geschäfte in den Business-Arealen leiden unter dem Mangel an Kunden. Für den Tourismus, das Gastrogewerbe und auch die Lebendigkeit der Stadt hat diese Entwicklung verheerende Konsequenzen, das bekräftigt auch Stephen Goldsmith, Autor und Professor an der Harvards Kennedy School of Government und ehemaliger stellvertretender Bürgermeister von New York City.

Eric Adams fügt hinzu: „Du kannst New York City nicht von zu Hause am Laufen halten. Wir müssen jeden an unserem Finanzsystem teilhaben lassen, damit auch die weniger und die unqualifizierten Arbeitskräfte Teil unseres Ökosystems sein können.“

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Das neue Gesicht der Stadt?

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Vieles spricht jedoch dafür, dass so manche Veränderung sich nicht mehr umkehren lässt. Viele Menschen sind sogar aus der Stadt weggezogen. Unter den Topzielen der New Yorker waren am Anfang der Pandemie vor allem Florida und Texas – die sonnigen Staaten lockten mit warmem Wetter, Stränden und niedrigen Steuern. 

Jetzt – gut anderthalb Jahre später – kehren allerdings einige wieder zurück. Auf der einen Seite füllen sich langsam doch wieder die Bürokomplexe und locken Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wieder in den Büroalltag. Auf der anderen Seite ziehen New Yorks liberale Politik und die diversifizierte Kultur die Bürger zurück in ihre Stadt. Es gibt sogar eine Facebook-Seite mit dem Titel „Moving Out of Florida“ mit über zwölftausend Mitgliedern – und die Zahl steigt weiter.

Viele Menschen haben sich an die Arbeit im Homeoffice gewöhnt, da bilden New Yorker keine Ausnahme. Im März dieses Jahres räumte Eric Adams ein, dass es noch eine ganze Weile dauern kann, bis klar ist, wie die Post-COVID-Arbeitswelt aussehen wird und dass wahrscheinlich ein großer Teil der Menschen nicht an allen fünf Tagen der Woche ins Büro fahren wird. Das liegt zum Teil auch daran, dass Unternehmen befürchten, ihre Mitarbeiter zu verlieren, wenn sie von ihnen verlangen, wieder zu 100 Prozent ins Büro zurückzukehren. Im September waren es laut Partnership for New York City schon wieder knapp 50 Prozent, die an einem durchschnittlichen Wochentag in New York City ins Büro fuhren. Zum Vergleich: Im April waren es gerade einmal 38 Prozent. Der Anteil der Beschäftigten, die komplett im Homeoffice arbeiteten, lag im September bei nur noch 16 Prozent im Vergleich zu 28 Prozent im April. 77 Prozent der Arbeitgeber sind der Meinung, dass hybride Arbeitsmodelle das Bild nach der Pandemie dominieren werden.

Es bleibt also abzuwarten, ob und wie sehr sich das Gesicht der Stadt langfristig verändern wird und welche Maßnahmen die Politik und die Gesellschaft ergreifen werden, um der Stadt ihre Lebendigkeit wieder einzuhauchen. Ob nahgelegene Co-Working-Spaces oder gut ausgestattete Cafés, die zum mobilen Arbeiten einladen – attraktive Möglichkeiten gibt es genug, und vielleicht ist es ja auch nur eine Frage der Zeit, bis die Menschen vollends aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und sich wieder nach mehr sozialen Kontakten und kreativer Zusammenarbeit sehnen.

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Picture credit © Ian Simmonds


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