DER KUNDE IST KÖNIG – UND DESIGNER

DER KUNDE IST KÖNIG – UND DESIGNER

VON STEFANIE SCHMID

(Veröffentlicht in THE GAZETTE Ausgabe 02 im April 2023)

In unserer letzten Ausgabe haben wir die Markenstrategie des Moderiesens H&M unter die Lupe genommen. Jetzt wollen wir uns der direkten Konkurrenz der H&M-Gruppe zuwenden: dem Textilunternehmen Inditex und dessen größter Marke Zara. 

Der spanische Textilunternehmer Amancio Ortega Gaona hat mit Inditex das größte Modeimperium der Welt geschaffen. Die Inditex-Gruppe umfasst sechs Modemarken, zu denen Zara, Massimo Dutti, Pull & Bear und Stradivarius gehören, betreibt über 6.500 Verkaufsstellen in 96 Ländern und erzielte im Geschäftsjahr 2021/2022 einen Umsatz in Höhe von 27,7 Milliarden Euro – wobei die Marke Zara mehr als zwei Drittel des Umsatzes generierte. Wir haben uns die Inditex-Starmarke Zara genauer angeschaut und zwei Schlüsselfaktoren für ihren Erfolg identifiziert.

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Die Erfolgsgeschichte

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Die Erfolgsgeschichte begann im Jahr 1975, als Amancio Ortega Gaona in seiner Heimstadt A Coruña ein Bekleidungsgeschäft mit dem Namen Zara eröffnete und dort hochwertige Mode zu einem erschwinglichen Preis anbot. Mit acht weiteren Filialen in den größten Städten Spaniens wurde Zara schnell zu einem der bekanntesten Modelabels des Landes. In den 1980er-Jahren startete dann der globale Siegeszug mit der ersten Filiale im Ausland, die 1988 in Porto eröffnet wurde; 1989 und 1990 folgten Filialen in New York und Paris. Heute betreibt Zara weltweit rund 2.500 Filialen in 95 Ländern. Im Jahr 2003 kam mit Zara Home die erste und bisher einzige Interior-Marke der Inditex-Gruppe hinzu, die sich, wie die gleichnamige Bekleidungslinie, durch Qualität, Stil und Innovation auszeichnet.

Zaras Geschäftskonzept beruht darauf, schnell auf Entwicklungen in der Branche zu reagieren und die neusten Trends im Sortiment aufzugreifen. Zara setzt hierfür nicht nur Designer und Trendscouts ein, die die Modewelt beobachten. Die Modekette verfolgt auch einen Customer Co-Creation-Ansatz, was bedeutet, dass der Kunde bei Zara aktiv in den Entwicklungsprozess von Produkten einbezogen wird.

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Customer Co-Creation

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Um die Wünsche und Bedürfnisse der Konsumenten in Erfahrung zu bringen, nutzt Zara einerseits Social Media-Kanäle und -Plattformen wie Instagram und Twitter. Andererseits aber auch den persönlichen Austausch im Ladengeschäft. Für Letzteres wurden technologiegestützte Systeme eingerichtet, die es ermöglichen, dass Informationen wie Kundenfeedback oder auch Absatzzahlen schnell von den einzelnen Geschäften in die Zentrale übermittelt werden können, wo Designer und Kreativteams nonstop daran arbeiten, Kleidungsstücke zu entwickeln, die den Kundenwünschen entsprechen.

Diese Strategie hat in den letzten Jahrzehnten zu einer aktiven Kundenbasis beigetragen, die sich stark mit der Marke identifiziert. Darüber hinaus bringt die Customer Co-Creation-Strategie den Vorteil mit sich, dass Zara besonders schnell auf Veränderungen im Markt und Trends reagieren kann. Eine Geschichte aus dem Jahr 2015 verdeutlicht dies: In diesem Jahr äußerten Frauen in verschiedenen Ländern nahezu gleichzeitig den Wunsch nach einem rosafarbenen Schal. Sie alle verließen die Zara-Filialen mit leeren Händen, doch nur sieben Tage später begann Zara mit dem Verkauf von 500.000 rosafarbenen Schals in über 2.000 Geschäften weltweit. Nach nur drei Tagen waren die Schals ausverkauft.

Die Tatsache, dass die Kunden und die Designer von Zara untrennbar miteinander verbunden sind und die Kreativteams ihre Inspirationen aus den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden beziehen, ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der Modekette, aber nicht der einzige. Zara verfügt über eine der effizientesten Lieferketten überhaupt, die es erst ermöglicht, auf Kundenfeedback wie das obige so schnell zu reagieren.

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Zara x

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Neben den Zara-Kollektionen aus den eigenen Designstudios überrascht das spanische Modelabel auch immer wieder mit spannenden Designer- und Star-Kollaborationen. Im Herbst 2022 brachte Zara beispielsweise eine Kollektion mit dem US-amerikanischen Designer Narciso Rodriguez auf den Markt, der unter anderem für Calvin Klein tätig war und dessen Designs von bekannten Persönlichkeiten wie Sarah Jessica Parker, Claire Danes und Michelle Obama getragen werden. Im Herbst letzten Jahres kollaborierte das Label außerdem mit den Topmodels Irina Shayk und Kaia Gerber: Irina Shayk stand für die Kollektion „A New Sensuality“ für Zara vor der Kamera. Dabei war es nicht das erste Mal, dass sich Zara mit dem russischen Topmodel zusammengetan hat. Shayk war eine der Gäste und Stars bei der Eröffnung der jüngsten Ausstellung der Marta Ortega Pérez Foundation, die dem berühmten Fotografen Steven Meisel gewidmet war. Kaia Gerber hat für Zara zuletzt eine Kollektion mit mehr als 30 Kleidungsstücken designt – darunter zeitlose Satinkleider, edle Stiefel und glamouröse Accessoires – und sich dabei vom klassischen Style der 1990er-Jahre inspirieren lassen. „Ich wollte, dass sich die Kollektion wirklich authentisch anfühlt [und] Stücke entwerfen, die ich selbst tragen würde und die für jeden geeignet sind“, erklärte die 21-jährige Kaia Gerber zum Start der Zara x Kaia Gerber Kollektion.

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Supply Chain

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Die Lieferkette von Zara besitzt einen hohen Grad an vertikaler Integration, sodass sie von der Beschaffung über die Produktion bis hin zum Vertrieb vom Unternehmen selbst geführt wird. Bei der Produktion verfolgt Zara einen Make-and-Buy-Ansatz. Die modischeren und risikoreicheren Artikel werden in den unternehmenseigenen Produktionsstätten in Spanien und Nordportugal hergestellt, während einfache Standarddesigns wie Tops und T-Shirts von Vertragspartnern im asiatischen Raum produziert werden. Insgesamt stellt Zara über die Hälfte der Waren in den eigenen Fabriken her. Von der Fabrik aus werden die Kleidungsstücke an das Auslieferungszentrum in A Coruña geliefert, wo die Bestellungen der Zara-Filialen im Zwei-Wochen-Rhythmus eingehen und innerhalb von acht Stunden bearbeitet und abgeschlossen werden. Da die Zara-Filialen im Schnitt 1.000 Quadratmeter umfassen und nur kleine Lager aufweisen, sind diese auf eine kontinuierliche und kurz getaktete Lieferung neuer Waren angewiesen. Diese Vorgehensweise macht es Zara aber auch möglich, schnell auf „Flops“ zu reagieren und Designs, die bei den Kunden nicht ankommen, durch neue zu ersetzen. Für die Planung, Produktion und Lieferung eines neuen Artikels benötigt Zara gerade einmal 15 Tage.

Insgesamt bringt Zara 24 neue Kollektionen pro Jahr in die Läden. Zum Vergleich: Bei H&M sind es zwischen zwölf und 16. Während es Basisprodukte gibt, die für einen längeren Zeitraum in den Geschäften zum Verkauf stehen, sind es gerade die Designerartikel, die oftmals nur wenige Wochen in den Filialen erhältlich sind. Mit dieser Praktik zielt die Modekette darauf ab, dass ihre Kunden regelmäßiger in die Geschäfte zurückkehren, um die neuen Kleidungsstücke zu entdecken. Während ein durchschnittliches Geschäft in Spanien damit rechnet, dass Kunden dreimal im Jahr erscheinen, wird bei Zara davon ausgegangen, dass Zara-Fans 17-mal pro Jahr eine Filiale aufsuchen.

Eines der Geheimnisse hinter dem globalen Erfolg von Zara ist wohl die Anerkennung der Tatsache, dass niemand einen Trend besser vorhersagen kann als der Kunde selbst. Gleichzeitig beherrscht Zara die erfolgskritischen Parameter Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik wie aus dem Lehrbuch. Die einzelnen Schritte der Lieferkette stehen in direkter Kommunikation: Der Kunde äußert in einem Zara-Geschäft seine Wünsche, die Mitarbeiter geben diese an die Marktspezialisten in der Zentrale weiter, die wiederum mit den Designern und Kreativteams im Austausch stehen. Dieser Ansatz ermöglicht Zara, das zu kreieren, was die Kunden auch tatsächlich wollen.

Auf diese Weise konnte die Modekette Zara ihren Umsatz in den letzten 20 Jahren fast versiebenfachen – auf ein Umsatzniveau von rund 19,6 Milliarden Euro – und den Rivalen H&M dieses Jahr überholen. Nach den Erfahrungen aus der Corona-Pandemie will auch Zara das E-Commerce-Geschäft in Zukunft weiter ausbauen. Außerdem steht das Thema Nachhaltigkeit auf dem Programm. Bis 2025 sollen bei Zara – aber auch bei allen übrigen Marken der Inditex-Gruppe – nur noch nachhaltiges Leinen sowie recyceltes Polyester in der Produktion verwenden werden. Bis 2040 will die Inditex-Gruppe CO2-neutral sein. Dafür sollen die Lieferketten noch effizienter gestalten werden.

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www.zara.com

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Picture credit © Inditex


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