CITYSTORE MIT KULTCHARAKTER

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IKEA entdeckt die Innenstadt für sich

VON SANDY STRASSER

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 3 2014)

Darauf haben viele Anhänger des schwedischen Kult-Möbelhauses gewartet. Am 30. Juni öffnete der multinationale Einrichtungskonzern IKEA in Hamburg-Altona die Pforten seines ersten Citystores. Die Grundstücksgröße liegt bei knapp über 10.000 Quadratmetern. Das ist die kleinste Fläche, auf der jemals eine Filiale entstanden ist. Sie umfasst acht Stockwerke inklusive vier Parkdecks. Auf einer Verkaufsfläche von rund 18.000 Quadratmetern trifft man alte Bekannte wie BILLY, PAX und Co. Über 80 Millionen Euro hat IKEA dafür investiert. Wir haben mit Johannes Ferber, Geschäftsführer Property & Expansion bei IKEA Deutschland, und Geschäftsführer Peter Betzel über das neue Innenstadt-Konzept gesprochen. 

Herr Ferber, weshalb zieht es IKEA nun in die Innenstadt?

Johannes Ferber: Wir haben schon längere Zeit Ausschau gehalten nach einem dritten Standort in Hamburg. In Altona haben wir ideale Voraussetzungen gefunden, um das erste IKEA Innenstadt-Einrichtungshaus zu verwirklichen. Nirgendwo in Deutschland haben wir eine so gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel wie an diesem Standort in der Großen Bergstraße.

Welcher Grundgedanke steckt dahinter? 

J. F.: Mit diesem Entwicklungsprojekt möchten wir nah bei den Menschen sein und auch den Umweltgedanken noch stärker leben: Viele Leute, die in der Hamburger Innenstadt leben, verzichten bewusst auf ein Auto oder haben ökologische bzw. ökonomische Gründe, nicht den weiten Weg zu unseren Häusern nach Hamburg-Moorfleet oder Hamburg-Schnelsen zu fahren. 

Warum hat man sich für Hamburg als Standort entschieden und nicht für Stockholm oder eine andere europäische Metropole? 

J. F.: Wir haben nicht gezielt nach einem Standort für ein Innenstadthaus gesucht. Es hat sich für die deutsche IKEA-Organisation angeboten, hier aufgrund der besonderen Standortbedingungen, die es so für uns noch nicht gab, ein solches Vorhaben umzusetzen. 

Wie hat die dortige Politik im Vorfeld auf Ihr Vorhaben reagiert?  

J. F.: Unser Vorhaben wurde von Anfang an von Seiten der Politik und Verwaltung sehr positiv begleitet. Zu Anfang lag das Verfahren beim Bezirksamt Hamburg-Altona, dort haben wir eine hervorragende Unterstützung erfahren vom damaligen Bezirksamtschef Herrn Warmke-Rose und seiner Verwaltung. Es wurde ein Sonderausschuss gebildet, der sich in regelmäßigen Abständen zu relevanten Themen getroffen hat. Im Zuge des Bürgerentscheides hatte der Senat das Verfahren evoziert, auch von Seiten der von da an zuständigen Behörden fühlten wir uns bestens unterstützt. Wir hatten eine überwältigende Zustimmung für unser Projekt im Bürgerentscheid Anfang 2010 mit über 77 Prozent Befürwortern. 

Welche organisatorischen Hürden mussten Sie nehmen?  

J. F.: Ein achtstöckiges Einrichtungshaus in der Innenstadt stellt für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung dar und ist von der planerischen Seite sehr komplex. Es gibt sehr viele Detailfragen, die im Laufe eines solchen Prozesses hinzukommen und geklärt werden müssen. Wir haben versucht, die Planungen für Kunden, Anwohner und Mitarbeiter bestmöglich umzusetzen. Dies erforderte viel Feinarbeit und Zeit.  

Wie lange hat die Umsetzung des Projektes gedauert?   

J. F.: Gerechnet von den ersten Gesprächen rund sechs Jahre. 

Welche Zielgruppe wollen Sie mit dem neuen Konzept ansprechen?    

J. F.: 80 Prozent der Besucher von IKEA Altona erreichen uns innerhalb von 20 Minuten. Die meisten Kunden kommen aus dem Südwesten Hamburgs bzw. einem innerstädtischen Stadtteil und haben einen direkten ÖPNV-Anschluss. Wir sprechen also überwiegend die Menschen aus der Innenstadt an, die die längeren Wege zu unseren Einrichtungshäusern in Moorfleet und Schnelsen gescheut haben. 

Im Aufbau ist die neue Innenstadt-Filiale nicht mit den Standard-Möbelhäusern von IKEA vergleichbar. Was wurde hier bewusst anders gemacht und weshalb?   

J. F.: Altona erforderte als Multilevel-Store eine andere Aufteilung als unsere üblichen zweigeschossigen Einrichtungshäuser. Deshalb haben wir hier erstmals unser Konzept – Start in der Möbelausstellung, dann Wegeführung zur Markthalle und SB-Halle bis zu den Kassen – verändert. Die Kunden kommen von außen und von den Parkdecks aus immer im Erdgeschoss an. Im ersten Obergeschoss finden sie einen Mix aus Möbelausstellung und Markthalle. Das heißt: Töpfe und Tassen beispielsweise finden die Kunden direkt bei den Küchenmöbeln. Im Erdgeschoss gibt es ein Café, im ersten Stock das Restaurant und im zweiten die Selbstbedienungshalle.

Auch in Sachen Architektur setzen Sie neue Maßstäbe. Warum haben Sie sich auch hier für ein anderes Konzept entschieden?  

J. F.: Uns war von Anfang an bewusst, dass wir uns in einer solchen Innenstadtlage möglichst harmonisch in das Umfeld einfügen möchten. Es gab einen offiziellen Architekturwettbewerb für die Fassadengestaltung mit vielen interessanten und außergewöhnlichen Entwürfen. Mit der nun umgesetzten Lösung in dezentem Weiß, einer sehr zurückhaltenden Farbgebung unserer Logofarben und vielen Glasfronten ist uns dies recht ansprechend gelungen.

In Hamburg-Altona bieten Sie gezielt Wohnideen für den lokalen Markt an. Inwieweit haben innerstädtische Kunden andere Bedürfnisse was die Produktpalette betrifft als Kunden von außerhalb?  

J. F.: Wir bieten an all unseren Standorten gezielt Wohnideen für den lokalen Markt an. Damit wir wissen, wer die Menschen sind, die in der Nähe unserer Einrichtungshäuser leben und welche Wünsche und Bedürfnisse sie rund um das Thema Einrichten haben, schauen wir uns den dortigen Markt immer genau an und haben auch Altonaer in ihren Wohnungen besucht. Es gibt viele Single-Haushalte und viele Menschen mit Kindern, die in einem Altbau zu Hause sind. Hier haben wir eine lokale Besonderheit entdeckt, die wir auch in unsere Ausstellung integriert haben: die Hamburger Tür, eine Art Schiebetür, die das Wohnzimmer mit dem Essbereich verbindet. Familien und Singles, die in kleineren Wohnungen zu Hause sind, haben dagegen Räume mit mehreren Funktionen, zum Beispiel Wohnen, Arbeiten, Essen und auch Schlafen im Wohnzimmer. Sie haben ein großes Bedürfnis nach mehr Ordnung und Klarheit beim Thema Einrichten. Viele verstauen ihre Dinge in offenen Regalen und wünschen sich hier mehr geschlossene, klarere Lösungen. Alle diese Eindrücke haben wir mitgenommen und versucht, in verschiedenen „Musterwohnungen“ gute und preisgünstige Einrichtungslösungen zu zeigen. 

Hinter der neuen Innenstadt-Filiale steckt eine Vielzahl logistischer Anforderungen, wie beispielsweise die Möbellagerung. Wie schaffen Sie es, räumlich alles unter ein Dach zu packen?  

J. F.: Der vertikale Transport der Waren ist die größte logistische Herausforderung für ein mehrgeschossiges Einrichtungshaus. Die Warenannahme befindet sich daher im Untergeschoss. Um die Ware in die SB-Halle und die Verkaufsräume zu bringen, gibt es eine Conveyer-Anlage mit horizontalen Förderstrecken. Mit Hilfe dieser vollautomatisierten Geräte wird im späteren Betrieb die Ware auf Paletten über die Etagen transportiert. 

Wie lösen Kunden den Transport nach Hause? Welche Optionen bieten Sie ihnen?  

J. F.: Aktuell kommen 90 Prozent unserer Kunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zum Einkaufen. Wir setzen für Altona auf ein maßgeschneidertes Lieferkonzept, das sicherstellt, dass der Transport von größeren Einkäufen nachhaltig, günstig und zeitnah erfolgen kann. Es besteht aus bewährten Serviceangeboten und ganz neuen Modellen. Einen Überblick über alle Möglichkeiten bekommt der Kunde am Transportschalter im zweiten Stock des Citystores. Neben dem regulären Transport- und Montageservice, der die Einkäufe noch am selben Tag oder innerhalb von 24 bis 72 Stunden ausliefert, gibt es noch weitere Lieferalternativen, die den Transport so komfortabel wie möglich gestalten, wie beispielsweise Lastentaxen oder -fahrräder.

Nach dem Motto „Hej Nachbarn“ setzen Sie auf eine gute Nachbarschaft mit den Menschen und Einzelhändlern in der Großen Bergstraße. In diesem Zusammenhang wurde bereits eine Anzeigenkampagne umgesetzt. Wer hatte die Idee dazu und was ist die Message?  

J. F.: IKEA möchte an allen Standorten ein guter Nachbar sein, ganz besonders in Hamburg-Altona, wo viele Menschen in der unmittelbaren Umgebung des neuen Einrichtungshauses wohnen. Wir haben von Anfang an auf Kooperation und Transparenz gesetzt. In vielen Gesprächen, Infoveranstaltungen und Ideen-Workshops haben wir nicht nur über Aktuelles informiert, sondern auch zugehört, was die Menschen vor Ort bewegt. Wir haben stets versucht, für alle eine möglichst gute Lösung zu finden. Dies spiegelt sich in unserer Eröffnungskampagne wieder, die die Einzelhändler, also unsere Nachbarn, in den Mittepunkt stellt.

Wann und wo wird es die nächste Innenstadt-Filiale geben?  

J. F.: Wir sehen Altona nicht als Testphase, sondern zunächst als einmaliges Projekt. Einen bundesweiten Roll-out wird es sicher nicht geben, auch nicht im Ausland. Aber wir werden Erfahrungen sammeln, die wir eventuell in der Zukunft an dem einen oder anderen Standort umsetzen können.

Herr Betzel, wie bewerten Sie das Projekt insgesamt?  

Peter Betzel: Wir haben uns in Altona erfolgreich der Herausforderung gestellt, mitten in der Fußgängerzone ein komplettes Einrichtungshaus zu bauen. Damit sind wir näher an unsere Kunden gerückt und hatten dort in den Wochen nach der Eröffnung auch so viele Besucher wie an keinem anderen Standort. Phantastisch ist auch die Tatsache, dass über 90 Prozent der Kunden ohne Auto zu uns kommen. Das schon vorhergesagte Verkehrschaos ist komplett ausgeblieben, und die Große Bergstraße ist deutlich belebter als jemals zuvor. Damit haben wir alle Erwartungen übertroffen.

Was gefällt Ihnen an der neuen Innenstadt-Filiale besonders gut?   

P. B.: Wir bieten eine andere Art der Präsentation und Inspiration, die auch bei unseren Kunden sehr gut ankommt. Schon von der Fußgängerzone aus können sich die Menschen durch die großen Schaufenster von unseren Einrichtungsideen inspirieren lassen – dies ist bislang einmalig. 

Worin sehen Sie die Vorteile im Vergleich zu Filialen, die außerhalb gelegen sind?  

P. B.: Wir haben hier einen hervorragenden ÖPNV-Anschluss, den wir sonst nirgends haben. Menschen, die in der Stadt leben, können schnell und unkompliziert einen Abstecher zu uns machen. Unsere Kunden werden uns hier sicher nicht nur zwei bis drei Mal im Jahr besuchen, sondern wesentlich öfter. Auch Menschen, die vorher noch nie bei IKEA waren, entdecken uns neu. Auch gehen wir mit dem neuen Haus direkt auf Kundenwünsche ein: Sie haben beispielsweise einen schnellen Zugang zu unseren Dekorationsartikeln, so dass Sie direkt viel Inspiration bekommen.  

Wo wünschen Sie sich noch weitere Häuser? Welche konkreten Pläne gibt es hier bereits?   

P. B.: Wir sehen ein Potenzial von rund 70 IKEA-Einrichtungshäusern in Deutschland – und Altona ist unser 48. Haus. Daneben testen wir auch einige neue Formate. So wird das Haus in Kaiserslautern, das wir nächstes Jahr eröffnen, eine Nummer kleiner ausfallen als Wallau oder Hamburg-Moorfleet. Das Einrichtungshaus in Bremerhaven, das ebenfalls nächstes Jahr seine Türen öffnet, wird sogar noch etwas kleiner. Doch egal wie groß oder klein ein IKEA-Haus ist – wir zeigen immer das volle Sortiment.

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Der Name IKEA ist eine Kombination der Initialen des IKEA Gründers, Ingvar Kamprad (IK), und dem jeweils ersten Buchstaben des Hofs und des Dorfs, auf bzw. in dem IKEA aufwuchs, Elmtaryd und Agunnaryd (EA). Das erste IKEA Einrichtungshaus wurde 1958 im schwedischen Älmhult eröffnet. Weltweit gibt es derzeit 356 Häuser in 44 Ländern. Davon gehören 309 in 26 Ländern zum IKEA Konzern selbst. Die anderen 47 Einrichtungshäuser werden von Franchisenehmern außerhalb des IKEA Konzern betrieben. 684 Millionen Menschen besuchten IKEA im vergangenen Geschäftsjahr, davon rund 100 Millionen in Deutschland. Über 135.000 Mitarbeiter, 15.500 allein in Deutschland, arbeiten auf der ganzen Welt an der Umsetzung der Geschäftsidee von IKEA. 

ikea.com/de

Picture credits © IKEA


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